Das krachende Feuerwerk zu seinen Ehren genoss Max Verstappen am Ende seiner beispiellosen Rekordsaison ganz besonders, auf den letzten Metern mit seinem Formel-1-Erfolgswagen machte sich aber auch Wehmut breit.
Kein lauter Jubelschrei über den Funk nach dem 19. Sieg im 22. Saisonrennen, dafür Worte des Dankes, die Stimme leicht angefasst. «Es war ein bisschen emotional», sagte der 26 Jahre alte Niederländer, nachdem er aus seinem Red Bull gestiegen war: «Das Auto hat mir so viel gegeben.»
Auf dem hell erleuchteten Yas Marina Circuit lieferte der Formel-1-Regent ein weiteres Beispiel seiner Überlegenheit ab. Er gewann den Großen Preis von Abu Dhabi und überholte mit dem 54. Grand-Prix-Erfolg seiner Karriere in der Bestenliste den ehemaligen Red-Bull-Erfolgspiloten Sebastian Vettel. «Wir sind sehr stolz auf dich», funkte Teamchef Christian Horner an seinen Starpiloten: «Du warst allmächtig.»
Verstappen lässt die versammelte Konkurrenz hinter sich
Seine Saison der Superlative krönte Verstappen noch mal im Stile eines Champions: Pole, Sieg und schnellste Runde. Zweiter in einem weitgehend ereignisarmen und wieder mal von Verstappen dominierten Rennen wurde Charles Leclerc im Ferrari. Auf Rang drei kam George Russell, der zusammen mit Rekordweltmeister Lewis Hamilton auf Rang neun Mercedes immerhin den zweiten Platz in der Konstrukteurswertung sicherte, gerade mal drei Punkte vor Ferrari.
Drei Punkte, die aber einen Unterschied im untersten zweistelligen Millionenbereich an Prämie bedeuten. «Wir haben so hart gearbeitet, das zu schaffen. Ich bin mir sicher, dass wir heute Abend ein paar Drinks haben werden», sagte Russell. «Ich bin hin- und hergerissen. Wir haben einen zweiten Platz gewonnen, aber vor Augen, dass es nicht der erste Platz ist», sagte Teamchef Toto Wolff.
«Diese Saison hat alles getoppt»
Bemerkenswerte Randnotiz: Verstappen allein hätte Mercedes in der Teamwertung geschlagen. Er holte in diesem Jahr unglaubliche 575 Punkte, Mercedes kam mit beiden Fahrern auf 409.
«Diese Saison hat alles getoppt, was wir bisher erreicht haben», sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko, zumal Sergio Pérez im zweiten Red Bull schon vor einer Woche in Las Vegas auch noch den zweiten WM-Platz perfekt gemacht hatte. Es sei aber schade, dass Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz diesen Erfolg und die Leistung von Verstappen nicht mehr habe miterleben können, betonte Marko. Mateschitz war im Oktober vergangenen Jahres gestorben.
Verstappen macht eine Ansage für 2024
Ein Ende der Erfolgsära von Verstappen im Red Bull ist derzeit nicht absehbar. Nicht mal mehr 100 Tage vor dem Start in die mit 24 Rennen längste Saison der Formel-1-Geschichte am 2. März in Bahrain: Da freute sich der Dominator auch auf ein bisschen finales Feiern und eine Auszeit. Eine Ansage gab’s aber schon mal: «Wir arbeiten hart fürs nächste Jahr. Wir sind bereit für den Kampf.» Er sehe nach oben keine Grenzen, was noch kommen möge, meinte Marko – beide sprachen aber auch davon, dass so eine Saison schwer zu wiederholen sei.
Verstappen hatte Vettel schon im Lauf der Saison den Rekord mit den meisten Siegen in Serie in einem Jahr entrissen, zehn nacheinander hatte er geschafft. Zum Schluss waren es noch mal sieben in Serie. Nur drei Rennen gewann er nicht, zwei davon aber Kollege Pérez. Nur einmal freute sich ein anderer: Carlos Sainz im Ferrari in Singapur.
Abu Dhabi und das Drama-Finale vor zwei Jahren
In der Bestenliste der Grand-Prix-Siege hat Verstappen nur noch Hamilton (103) und Michael Schumacher (91) vor sich. Sein Vertrag bei Red Bull ist bis Ende 2028 gültig. Grenzen scheinen ihm derzeit nicht gesetzt, nicht nur, weil er im Land der unbegrenzten Möglichkeiten in diesem Jahr dreimal (Miami, Austin und Las Vegas) gewonnen hatte. Seinen dritten WM-Titel nacheinander hatte er im Sprint in Katar am 7. Oktober schon perfekt gemacht.
In Abu Dhabi, wo er vor zwei Jahren im Drama-Finale mit dem Überholmanöver in der letzten Runde gegen Hamilton zum ersten Mal triumphiert hatte, startete Verstappen wieder von der Pole. Nach nur mäßigen Trainingsleistungen und Problemen mit der Abstimmung des RB 19 war er da, als es in der Qualifikation um die Pole Position ging. So wie 2020, 2021 und 2022 startete er von Platz eins.
Ein Einbruch bei Verstappen? Keine Chance
Neben ihm Leclerc. Der ebenfalls 26 Jahre alte Monegasse, der als Titel-Hoffnungsträger der Scuderia galt, aber wieder einmal mehr Enttäuschungen als Freudenmomente erlebte in diesem Jahr, wusste, dass er nicht viele Möglichkeiten für eine Attacke haben würde. Er versuchte es also direkt nach dem Start, Verstappen konterte. Ebenso den zweiten Versuch von Leclerc noch auf der ersten Runde. Und er tat es im Stile eines Champions.
Vor Leclerc kam er auch zum ersten Boxenstopp rein. Alles problemlos, wie eigentlich immer. Nachdem die Piloten auf den vorderen Plätzen ihre Reifen alle zum ersten Mal gewechselt hatten, lag Verstappen rund fünf Sekunden vor Leclerc. Mittlerweile war die Sonne untergegangen, das Rennen wird traditionell bei Tageslicht gestartet und unter Flutlicht beendet. Für das Glanzlicht nicht nur über die letzten 306,183 Kilometer in diesem Jahr sorgte Verstappen, auf einen Einbruch hoffte die Konkurrenz in der Saison und auch im letzten Rennen vergeblich.