Emma Hinze war wieder ganz die Alte. Mit Goldmedaille um den Hals und Regenbogentrikot am Körper genoss die 24 Jahre alte Ausnahmesportlerin die Momente des Triumphs im Bahnrad-Vélodrome von Roubaix.
Hier ein Foto mit den Bronze-Männern, dort ein Interview für das internationale Fernsehen, da die deutsche Hymne für das Triumphtrio mit Lea Sophie Friedrich und Pauline Grabosch: Hinze hörte nicht mehr auf zu strahlen, vom gewachsenen Druck und den von ihr so stark bemängelten Herabwertungen ihres Olympia-Resultats mit einmal Silber war auf einmal gar nichts mehr zu spüren.
«Es macht einfach Spaß. Ich glaube, das habe ich auch gebraucht. Ich persönlich habe nicht so viel Last gespürt, wollte mal wieder fahren und Spaß haben», sagte Hinze, die an das Thema Freude und Lust direkt «einen Haken» machen wollte. Hinze, Friedrich und Grabosch spielten am Mittwochabend im Teamsprint mit der Konkurrenz und fuhren drei Weltrekorde in knapp drei Stunden. «An drei Weltrekorde war in den kühnsten Träumen nicht zu denken», schwärmte der scheidende Bundestrainer Detlef Uibel.
Trikots werden aufgehängt
Der Gold-Auftakt in Nordfrankreich war dennoch kein Grund, sich im Teamhotel ein Gläschen Sekt zu gönnen. «Eigentlich sind wir gar nicht so, dass wir anstoßen. Das haben wir in Berlin auch gar nicht gemacht», sagte Hinze mit Verweis auf die Heim-Festspiele, bei denen sie im Vorjahr drei WM-Goldmedaillen in einer Woche erobert hatte. Teamkollegin Friedrich, die nach einer Erkrankung genau rechtzeitig zum Wettkampf fit wurde, fügte an: «Wir trinken eigentlich keinen Alkohol.» Als Ritual wollte das dekorierte Trio stattdessen die Regenbogentrikots feierlich im Zimmer aufhängen.
Hinze hat noch ordentlich Programm. Auch im Sprint am Freitag und im Keirin am Sonntag wird sie mit der zum WM-Start gezeigten Form als Favoritin in die Wettbewerbe gehen – beide Disziplinen hatte sie vor eineinhalb Jahren in Berlin für sich entschieden. «Emma ist natürlich die Gejagte, das muss sie annehmen», sagte Bundestrainer Uibel, der nach diesem Jahr aufhören wird. Hinze wollte in Roubaix keine großen Vergleiche mit Tokio mehr zulassen, sie sagte: «Es ist einfach ein anderer Wettbewerb. Es geht immer wieder von vorne los.»
Im Teamsprint fahren neuerdings nicht mehr zwei, sondern drei Frauen. In der Besetzung Hinze, Friedrich und Grabosch war das Team vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR) erstmals unterwegs. «Es war unsere Generalprobe und dann gleich mit Weltrekord – ist schon geil! Dass wir den noch zweimal knacken, hätte ich auch nicht gedacht», sagte Hinze freudig. Coach Uibel fragte: «Was gibt es Schöneres, als mit einem Titel und drei Weltrekorden abzutreten?» Wer seine vom Olympia-Druck befreite Vorzeigeathletin in Roubaix erlebte, dürfte antworten: Emma Hinze könnte da noch etwas einfallen.