Starke Frau im Hamilton-Zirkel: Cullen «besonderer Mensch»

Ihre Hände zittern. Es ist unmittelbar vor dem Rennen. Angela Cullen fixiert die Ohrenstöpsel und Kopfhörer, bevor Lewis Hamilton in seinen schwarz lackierten Silberpfeil steigt.

Wenn ihr berühmter Chef Platz genommen hat und der Funkverkehr einwandfrei funktioniert, atmet auch sie tief durch. Angela Cullen saugt die Energie auf inmitten der Formel-1-Autos, den Piloten, den Mechanikern, den Zuschauern. Momente voller Demut, beschreibt sie: Jedesmal werde ihr dann klar, wie gesegnet sie sei.

Angela Cullen, 47 Jahre alt, geboren in Neuseeland, ist die starke Frau an der Seite des erfolgreichsten Piloten in der Geschichte der Motorsport-Königsklasse. Neulich, da durfte sie auch mal in den Rennwagen steigen, mit dem Hamilton an diesem Wochenende in Austin seine glanzvolle Texas-Bilanz – 5 Siege in 8 Rennen – weiter aufhübschen und Kurs auf Weltmeistertitel Nummer 8 nehmen will. «Ich kann aber nicht über das Lenkrad schauen», sagt sie. Hamilton lacht herzhaft und Angela Cullen macht das Siegerzeichen.

Cullen und Hamilton seit 2016 ein Team

Wie meistens an den Grand-Prix-Wochenenden trägt sie am linken und am rechten Handgelenk jeweils eine Uhr. Ein kleines Mysterium um Angela Cullen, die die Hamilton-Ära maßgeblich mitprägte. Seit 2016 trainiert und betreut sie den Briten mittlerweile. «Ich bin sehr froh, dass ich Angela gefunden habe», sagt Hamilton in Austin über die Frau, die zum engsten Zirkel des Formel-1-Superstars gehört: «Sie ist ein sehr besonderer Mensch.»

Zu Beginn seiner Karriere, die 2007 im McLaren startete, habe er Trainer an die Seite gestellt bekommen, die nicht wirklich auch Physiotherapeuten gewesen seien. Mit der Zeit kamen aber auch bei Hamilton hier und da die Wehwehchen. «Aber ich hatte keinen, der das in Ordnung bringen konnte.»

Genau das schafft Angela Cullen wie nach dem heftigen Hamilton-Crash von Monza mit WM-Widersacher und Aktuell-Spitzenreiter Max Verstappen. Dabei kamen auch Akupunkturnadeln zum Einsatz. «Ohne sie hätte ich es nicht geschafft», betonte Hamilton damals. Nach dem Rennen zuletzt in der Türkei ging es dann in Monaco schnell zur Regeneration in die Kältekammer – bei knapp minus 100 Grad.

Cullen mit großer Leidenschaft für Sport

Extreme sind Angela Cullen, einer verheirateten Familienmutter, die aber praktisch nichts über ihr Privatleben preisgibt, nicht fremd. 2006 beispielsweise machte sie einen Radtrip – ein Jahr in Südamerika von Ushuaia ganz im Süden bis Kolumbien.

Ihre Leidenschaft für Sport und ihre Vorliebe schon in der Schule für Mathematik und Naturwissenschaften führten zum Uni-Abschluss in Gesundheitswissenschaften und Physiotherapie. Sie gehörte zum Betreuerteam der Goldstaffel Großbritanniens bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen über 4×100 Meter.

Über Neuseeland ging es irgendwann zurück nach Europa, 2014 kam der Kontakt zu Aki Hintsa zustande, der Formel-1-Fitness-Koryphäe, die 2016 im Alter von nur 58 Jahren nach einer Krebserkrankung starb. Für den Mediziner war dauerhafte Leistungsfähigkeit unmittelbar vom Wohlbefinden abhängig. Hintsa-Schülerinnen und -Schüler sind in der Formel 1 längst weit verbreitet, auch Sebastian Vettels Trainer und Physiotherapeut Antti Kontsas stammt aus der Hintsa-Schmiede.

Für Angela Cullen stehen auch in Austin wieder aufregende Momente an. Die Zeit vor dem Start, die finalen Vorbereitungen auf das Rennen, Emotionen auf jeder Runde bis zur Zieldurchfahrt.

Und das immer gut gelaunt, wie Hamilton auch schon mal über sie sagte. Egal zu welcher Uhrzeit, sie sei immer positiv. Als «selbstlos» und «fokussiert» beschrieb er sie mal. «Ich hatte das Glück, schon mit vielen Menschen zusammenzuarbeiten.» Aber Angela Cullen sei die am härtesten arbeitende Frau um ihn herum.

Von Jens Marx und Maximilian Haupt, dpa