Tore-Spaß gegen Liechtenstein: 9:0 beim Jogi-Abschied

Jogi Löw war auf der Tribüne sichtlich vergnügt, und nach dem Neun-Tore-Festival waren auch die hohen Ansprüche seines Nachfolgers Hansi Flick zufriedengestellt.

Alle Neune hieß es zum Abschied von Weltmeister-Coach Löw, für Flick war der Startrekord perfekt. Unbeeindruckt vom großen Corona-Schreck hat die Fußball-Nationalmannschaft beim Abschiedsfest von Ex-Bundestrainer Löw für Tore-Spaß gesorgt.

Gegen den nach einem Platzverweis für Jens Hofer (9. Minute) früh dezimierten Außenseiter Liechtenstein sorgten die beiden Doppel-Torschützen Leroy Sané (22. Minute/48.) und Thomas Müller (76./86.) sowie Ilkay Gündogan (11./Foulelfmeter), Marco Reus (23.), Ridle Baku (80.) und die beiden Eigentorschützen Daniel Kaufmann und Maximilian Göppel (20./89.) in Wolfsburg für den standesgemäßen 9:0 (4:0)-Sieg der DFB-Auswahl im letzten Heimspiel der schon zuvor geschafften Qualifikation für die WM in einem Jahr in Katar.

Ein harmonischer und toller Abend

«Natürlich bin ich zufrieden. Mich freut es, dass Jogi bei seinem Abschied neun Tore gesehen hat. Die Stimmung im Stadion war einfach fantastisch. Die Mannschaft, die Zuschauer, die Fans, das ist eine gute Kombination», sagte Flick beim TV-Sender RTL und betonte: «Wir haben fast zwei Jahre die Pandemie gehabt und ohne Zuschauer gespielt. Ich bin happy und froh, dass wir vor Zuschauern spielen und sie begeistern. Die Freude wird auf den Platz getragen.»

Bei konsequenterer Chancenverwertung hätte sogar der Rekordsieg des als Zuschauer bestens unterhaltenen Ex-Coach Löw beim 13:0 gegen San Marino aus dem Jahr 2006 in Gefahr geraten können. Für den höchsten Sieg unter Nachfolger Flick und die alleinige Bundestrainer-Bestmarke mit nun sechs Siegen in den ersten sechs Spielen reichte es vor 25.984 Zuschauern in der unter Corona-Bedingungen ausverkauften VW-Arena aber locker. Diesen Rekord ist Löw nun los. Flick kann seine Quote bereits am Sonntag mit Sieg Nummer sieben in Armenien ausbauen. Fehlen wird beim Jahresabschluss der gelb-gesperrte Abwehrchef Antonio Rüdiger.

«Man muss es ein bisschen relativieren, da wir keine extrem schwierigen Gegner in unserer Gruppe haben. Aber die Leute sind da und wir sind auch da. Man kann von einem harmonischen und tollen Abend sprechen», sagte Müller und freute sich auch, Ex-Trainer Löw wiederzusehen: «Es ist immer schön, wenn man zusammenkommt. Bei all den sportlichen Erfolgen geht es immer um diese persönliche Momente. Die sind nicht immer farbenfroh. Die Begegnungen und Tischgespräche und all das drumherum ist das, was man mit nach Hause nimmt. Da haben wir super Zeiten gehabt.»

Zum Abschied «Danke Jogi»

Bevor der Ball rollte, wurde es emotional. Mit lautem Applaus und «Jogi, Jogi»-Rufen wurde Löw offiziell verabschiedet. Auf einem riesigen Transparent stand: «Herberger, Schön, Beckenbauer – Löw mit högschder Disziplin zum Weltmeistertrainer. Wir sagen….» Bei der Ehrung formten die Fans mit farbigen Folien ein riesiges «Danke Jogi». Ex-Weltmeister wie Lukas Podolski, Miroslav Klose, Benedikt Höwedes und Mats Hummels standen für ihren ehemaligen Bundestrainer Spalier.

«Nach so vielen Jahren und so einer langen Reise, musste ich natürlich Abstand gewinnen. Ich musste auch einiges verarbeiten. Das letzte Turnier war ja für uns alle ein bisschen enttäuschend. Von daher habe ich eine Weile gebraucht. Aber jetzt habe ich das Gefühl, dass es mir gut geht, und ich mich auf Fußball freue», sagte Löw, der seit 2006 bis zum Sommer dieses Jahres Cheftrainer war, bei RTL.

Die stimmungsvolle Atmosphäre wich aber schnell einem Schreckmoment, als Liechtensteins Hofer mit hohem Bein Leon Goretzka am Hals traf. Der Kroatin Ivana Martinčić, die als erste Schiedsrichterin ein Länderspiel der DFB-Auswahl leitete, blieb gar nichts anderes übrig, als Hofer wegen groben Foulspiels vom Platz zu stellen. Für Goretzka ging es nach kurzer Behandlungspause weiter. Den fälligen Strafstoß verwandelte Gündogan.

Ansehnlicher Tempofußball

So war das Scheibenschießen eröffnet, ein zähes Geduldsspiel wie beim 2:0 im Hinspiel in St. Gallen war nicht mehr nötig. Reus, Ridle Baku und Jonas Hofmann vergaben zunächst noch große Chancen, ehe Daniel Kaufmann mit einem Eigentor einen Blitz-Dreierpack der deutschen Mannschaft einleitete. Mit ansehnlichem Tempo-Fußball kamen Sané und Reus schnell zu ihren Toren. Der 190. der Weltrangliste, der sich mit der gesamten Mannschaft rund um den eigenen Strafraum verschanzte, war völlig demoralisiert. Löw klatschte dagegen auf der Tribüne freudig in die Hände.

Dass sein Nachfolger Flick die Mannschaft nach dem Corona-Wirbel der vergangenen Tage auf einigen Positionen umbauen musste, hatte gegen den allenfalls drittklassigen Gegner keine Auswirkungen. Thilo Kehrer ersetzte den positiv auf Corona getesteten Niklas Süle als Innenverteidiger. Für Kehrer rückte Christian Günter auf die Position des Linksverteidigers. Gündogan spielte im Mittelfeld für Joshua Kimmich, der als eine von vier Kontaktpersonen nach Süles positivem Test in Quarantäne hatte abreisen müssen.

Es hätten noch deutlich mehr Tore sein können

Besonders spielfreudig – wie schon in den letzten Wochen – zeigte sich Sané, der auch gut nach hinten arbeitete. Angesichts der klaren Überlegenheit fehlte es dem deutschen Team aber nach dem schnellen Tore-Start an der nötigen Konsequenz, was auch Flick an der Seitenlinie nicht gefiel.

Zur zweiten Halbzeit kam Lukas Nmecha zu seinem Debüt im DFB-Trikot, das Premieren-Tor verhinderte dabei der Pfosten (55.). Dafür erzielte Sané seinen ersten Doppelpack im Trikot des viermaligen Weltmeisters. Es hätten aber noch deutlich mehr Tore sein können. Dies lag auch an Benjamin Büchel. Der gute Keeper stand unter Dauerbeschuss und machte einige Chancen zunichte.

Flick nutzte derweil das Spiel zu besonderen Gesten. Der Wolfsburger Maximilian Arnold kam an heimischer Stätte siebeneinhalb Jahre nach dem Debüt zu seinem zweiten Länderspiel. Insgesamt ließ Flick drei der vier nachnominierten Spieler im Zuge der Corona-Ausfälle – neben Arnold noch Baku und Kevin Volland – auch spielen. Und Baku trug sich sogar als Torschütze ein, genauso wie Müller, der mit dem Doppelpack sein Torkonto auf 42 Länderspiel-Treffer schraubte.

Von Arne Richter, Jan Mies und Stefan Tabeling, dpa