Dieses Tennis-Jahr hat Alexander Zverev auch zugesetzt. Platt von erschöpfenden Monaten pausierte der Olympiasieger kurz vor den ATP Finals lieber einen Tag länger als üblich.
«Ich habe in den letzten Tagen gar nichts gemacht. Das habe ich aber auch gebraucht, weil ich fertig war», sagte Zverev in Turin. Für die Premiere des Saisonabschlusses in Italien und den erhofften nächsten Titel muss der Urlaub aber warten. «Die acht besten Spieler der Welt treffen sich, um im letzten Turnier des Jahres Weltmeister zu werden. Selbst wenn man körperlich müde ist und emotional erschöpft, bei so einem Event holt man noch mal alle Reserven aus sich raus», sagte er. «Ich bin nicht nur hier, um teilzunehmen, ich will auch Spiele gewinnen.»
Im besten Fall hat der Weltranglisten-Dritte noch fünf Matches, dann würde seine Saison mit dem Endspiel am 21. November zu Ende gehen. Den Auftakt in das Turnier, das als inoffizielle WM gilt, macht er am Sonntag. Im Abendspiel des Eröffnungstags ist Zverev gegen den italienischen Hoffnungsträger und Wimbledonfinalisten Matteo Berrettini gefordert (21.00 Uhr/Sky). Dass die Fans dann gegen ihn sein werden, stört ihn nicht. «Ich bin ein Fan davon, wenn es laut im Stadion ist. Ich mag es auch, wenn die Leute gegen mich sind.»
Zweiter Titel nach 2018 das Ziel
Einen leichten Einstieg gibt es nicht, wenn sich die erfolgreichsten Tennisprofis des Jahres messen. «Ich fühle mich gut und freue mich auf das Turnier. Und natürlich hoffe ich, dass ich zum zweiten Mal die Trophäe nach Hause bringen kann», sagte Zverev. Als der Hamburger 2018 bei den ATP Finals triumphierte, damals in London, war das noch eine große Überraschung. Diesmal zählt Zverev wie selbstverständlich zu den Mitfavoriten.
Seine weiteren Gegner in der Vorrunde sind der polnische Turnier-Debütant Hubert Hurkacz und der russische Topspieler Daniil Medwedew. Es ist erst wenige Tage her, dass Zverev gegen den US-Open-Champion im Halbfinale des Masters-1000-Turniers von Paris überraschend glatt verlor. «Die Tage nach Paris musste ich mich erstmal komplett erholen», sagte Zverev, der es frühestens im Halbfinale mit Novak Djokovic zu tun bekommen könnte.
Der serbische Weltranglistenerste spielt in der anderen Gruppe gegen den griechischen 2019-Finals-Sieger Stefanos Tsitsipas, den Russen Andrej Rubljow und den norwegischen Aufsteiger Casper Ruud. Für Zverev ist es bereits die fünfte Teilnahme in Serie an den ATP Finals. Im vergangenen Jahr war für ihn in der Vorrunde Schluss.
Olympia-Gold als Höhepunkt
«Ich kann mir vorstellen, dass er für Turin die Kräfte hat, dass er nicht nur weit kommen, sondern auch gewinnen kann», sagte der Herren-Verantwortliche des Deutschen Tennis Bundes, Michael Kohlmann.
Fünf Titel hat Zverev 2021 gesammelt, keiner auf der ATP-Tour hat mehr. Emotionaler Saison-Höhepunkt war die olympische Goldmedaille in Tokio. Ein Erfolg, der keinem anderen Deutschen im Herren-Einzel zuvor gelungen war. Offenbar auch bestärkt von der Liebe seiner neuen Freundin Sophia Thomalla wirkte Zverev zuletzt weiter gefestigt, wenn auch müde. Stockholm in dieser Woche ließ er anders als geplant aus.
Neben dem Weltranglisten-Zweiten Medwedew und Djokovic kann Zverev momentan die größten Ansprüche stellen. Eindrucksvoll hatte Djokovic nach seiner längeren Pause bei seinem Comeback gleich den Titel in Paris abgeräumt. Der 34-Jährige ist in Turin der Einzige aus der Riege der drei großen Topstars. Rafael Nadal und Roger Federer pausieren schon länger verletzt.
«Sportler des Jahres» wäre Krönung
Wie stark und ob (Federer) sie 2022 zurückkehren, ist ungewiss. Die Möglichkeit, dass die Hackordnung auch bei den Grand Slams weiter durcheinandergewirbelt wird, wächst. «Ich finde immer noch, dass Djokovic der Topfavorit bei allen Turnieren ist, aber Sascha ist zusammen mit Medwedew der erste Anwärter, ihm die Titel streitig zu machen», sagte Kohlmann.
Vor dem Jahreswechsel könnte auf Zverev, oft Sascha genannt, noch ein besonderer Termin warten. Am 19. Dezember werden die deutschen «Sportler des Jahres» gekürt. «Ich denke, die Chancen stehen dieses Jahr besser als all die letzten Jahre davor», sagte er lächelnd. Mit der Goldmedaille von Tokio sei das Jahr «zu einem ganz besonderen» geworden. «Sollte ich die Auszeichnung bekommen, wäre es der krönende Abschluss nach einer sehr langen und anstrengenden Saison.»