Bevor Julian Nagelsmann seine in Augsburg kräftig gerupften Fußballstars in einen freien Sonntag entließ, wollte er sie noch einmal mit Video-Bildern der bitteren Derby-Niederlage quälen.
Die Art und Weise, wie der Primus der Fußball-Bundesliga beim 1:2 (1:2) gegen leidenschaftliche Augsburger ohne Führungskraft Joshua Kimmich aufgetreten war, verärgerte den Trainer gewaltig. Übellaunig bekannte der 34-Jährige vor der kurzen nächtlichen Busfahrt zurück nach München: «Ich bin tatsächlich den ersten Tag als Bayern-Trainer richtig sauer auf uns, weil wir es deutlich besser machen müssen.»
Dauerbaustelle Defensivverhalten
Größter Kritikpunkt war mal wieder das Defensivverhalten seiner Mannschaft. Es entwickelt sich zu einer Münchner Dauerbaustelle, die Nagelsmann als Fußballlehrer herausfordert. «Wir bekommen die Tore auf die gleiche Art und Weise in dieser Saison.» Zum wiederholten Male beklagte Nagelsmann sorgloses Verteidigen bei den jeweils nach Balleroberungen mit schnellen Augsburger Vorstößen über den linken Flügel kassierten Gegentoren von Mads Pedersen und André Hahn.
Es ist ein gewagtes Titel-Spielchen der Münchner Serienmeister. Es fehle bisweilen die Gier in der kollektiven Arbeit gegen den Ball, «wenn du das Gefühl hast, du kannst jedes Spiel zwei, drei, vier Tore machen», gab Thomas Müller nach seinem vermurksten 600. Pflichtspiel im Bayern-Trikot zu. «Wenn die Offensive mal nicht so eine große Strahlkraft hat wie normal, muss die Defensive einfach stabiler sein – und das war sie nicht», rüffelte Nagelsmann. Das 14. Saisontor von Robert Lewandowski genügte diesmal als Angriffsausbeute nicht.
«Die erste Halbzeit war sehr schlecht», sagte Müller zerknirscht. Von Nagelsmann gab es einen dringenden Rat an seine nachlässigen Profis. «Gewinnen lieben ist das eine, Verlieren hassen das andere.»
Müller: «Wir haben mehr Qualität»
Müller verstörte, dass man das Geschehen gegen einen beherzten FCA nicht diktieren konnte: «Für uns ist das ein bitterer Rückschlag in unserem Selbstverständnis, wie wir Spiele bestreiten wollen.» Auch Torwart Manuel Neuer reagierte angefressen: «Wir müssen auf jeden Fall gewinnen gegen eine solche Mannschaft. Wir haben mehr Qualität.»
Nagelsmann war nach Spielende darum bemüht, das Corona-Reizthema Kimmich so gut es geht abzublocken. Der ungeimpfte Nationalspieler befindet sich wegen des Kontakts zu einer positiv getesteten Person im privaten Umfeld schon wieder in Quarantäne. Ein Handicap, auch wenn Nagelsmann das Fehlen des Schlüsselspielers als Ausrede für die «nicht unverdiente» Niederlage «zu plump» wäre, wie er sagte.
Der Coach verwies vielmehr auf seinen edel bestückten Kader. Andere Vereine dürften «bei ein, zwei Ausfällen deutlich mehr jammern. Wir bei Bayern München sollten es nicht tun», sagte der 34-Jährige.
Weinzierl spricht von einem «Feiertag»
Die Augsburger mussten vor 26.000 staunenden und begeisterten Fans ohne das Angriffstrio Ruben Vargas (Corona), Alfred Finnbogason und Florian Niederlechner antreten. «Das ist mindestens ein Kimmich», wertete Trainer Markus Weinzierl, der von einem «Feiertag» sprach. Alle drei FCA-Siege gegen den FC Bayern gelangen mit ihm als Coach. Seine Spieler beeindruckten mit aggressivem, mutigem, gradlinigen Weinzierl-Fußball. «So wollen wir die Mannschaft sehen», sagte er.
Kimmichs fehlende Impfung bleibt ein Problem
Kimmichs Abwesenheit, die sich am Dienstag in der Champions League bei Dynamo Kiew fortsetzen wird, ist zwei Wochen vorm Liga-Gipfel in Dortmund ein gefährlicher Faktor, wie auch Nagelsmann weiß. Der Nationalspieler ist das Schwungrad im Bayern-Spiel, der Auslöser offensiver und defensiver Teamaktionen. Seine Bedeutung offenbarte sich auch im missglückten Auftritt seines Vertreters Marcel Sabitzer. Und das nicht nur, weil der Österreicher sich vor dem 0:2 den Ball abjagen ließ. «In Sabi steckt viel, viel mehr», rätselte Nagelsmann, der Sabitzer seit der gemeinsamen Zeit in Leipzig sehr wertschätzt.
Kimmichs fehlender Impfstatus – wie der weiterer Bayern-Profis – bleibt eine Problematik, die der Rekordmeister mit in einen harten Corona-Winter schleppt. Die zweite Saisonniederlage aber stachelt einen wie Müller nur zusätzlich an. «Wir werden uns natürlich nicht aus der Bahn werfen lassen von dem Ergebnis», sagte der Wortführer.