Nach einer kurzen Nacht machte sich Deutschlands Davis-Cup-Auswahl um die Erfolgsgaranten Kevin Krawietz und Tim Pütz prompt auf den Weg zu neuen Zielen.
Um 10.00 Uhr ging am Mittwoch der Flieger von Innsbruck nach Madrid. In der spanischen Hauptstadt nehmen die Tennis-Herren nun am Samstag mit großem Selbstbewusstsein ihr vor wenigen Tagen noch völlig unwahrscheinlich erscheinendes erstes Halbfinale seit 14 Jahren in Angriff.
Das schon jetzt größte Erfolgskapitel in der jüngeren deutschen Davis-Cup-Geschichte ist eng mit Krawietz und Pütz verbunden, die im Viertelfinale das entscheidende Doppel gegen Großbritannien gewannen – und mit dem gesamten Team ein ausgelassenes Siegertänzchen aufführten. Falls es nun gegen Russland oder Schweden wieder auf das Doppel ankommt, ist die erste Titelchance seit 1993 realistisch.
Zeit für neue Ziele
«Wir haben alle gesagt, wir wollen nach Madrid. Wir haben das Ziel erreicht, nun ist es Zeit, neue Ziele zu setzen, das Halbfinale zu gewinnen. Wir wollen weiter kommen», sagte Jan-Lennard Struff. Krawietz kündigte an: «Wir freuen uns unter den besten vier Nationen der Welt zu stehen und jetzt noch mal Vollgas zu geben in Madrid.»
Schon dieses erste deutsche Halbfinale im Davis Cup seit 2007 ist bemerkenswert. Sechsmal haben es die Deutschen seitdem im Viertelfinale probiert, sechsmal sind sie ausgeschieden. Warum es nun ausgerechnet jetzt klappte, obwohl sich Olympiasieger Alexander Zverev erholt statt mitzuspielen, hat verschiedene Gründe. Ein wesentlicher ist die Extraklasse im Doppel. Hätte sich das deutsche Herren-Tennis hier nicht zu einer Top-Nation entwickelt, wäre die Runde der besten Vier wohl kaum möglich gewesen.
Doppel als Erfolgsgarant
Dank des zweimaligen French-Open-Siegers im Doppel, Krawietz (14.), und dank des Weltranglisten-18. Pütz kann der Deutsche Tennis Bund (DTB) wohl auch im Halbfinale mit einem Punkt planen. Und kann stets darauf hoffen, dass es nach den beiden Einzeln unentschieden steht – und das Doppel entscheidet. «Das Halbfinale ist wieder so ein Spiel. Wir sind in einer glücklichen Lage», sagte Pütz: «Für dieses Format haben wir ein sehr gutes Team. Ich glaube, dass wir eins der besten Doppelteams auf der Welt haben. Es gibt nicht so viele Teams, die zwei oder drei Spieler in den Top 20 der Weltrangliste haben.»
Im Halbfinale läuft es allerdings auf ein Duell mit den Russen hinaus, die sich am Donnerstag noch gegen Schweden durchsetzen müssen. Ein Sieg im Einzel gegen einen der Top-5-Spieler Daniil Medwedew und Andrej Rubljow des gesetzten Struff sowie entweder Dominik Koepfer oder Peter Gojowczyk klingt unwahrscheinlich.
Anders als 2007, als die deutschen Tennis-Herren in Moskau nach fünf Matches und drei Tagen das Endspiel verpassten, werden beim Endrunden-Turnier nur drei Partien an einem Tag gespielt. Das Doppel gewinnt an Bedeutung – und das kommt den Deutschen entgegen. Krawietz und Pütz sorgten nicht nur gegen Großbritannien, sondern zuvor auch gegen Serbien und Österreich fürs entscheidende 2:1. «Es war uns schon bewusst, dass das hier jetzt passieren kann. Das ist jetzt das Format. Damit müssen wir leben. Es ist umso schöner für uns, dass wir immer den entscheidenden Punkt einfahren können», sagte Pütz.
In ihren sieben (Pütz) und sechs (Krawietz) Davis-Cup-Doppeln über die vergangenen Jahre sind die beiden Spezialisten unbesiegt. Selbst ein 0:5 im zweiten Tiebreak beim 7:6 (12:10), 7:6 (7:5) gegen Joe Salisbury und Neal Skupski hielt sie nicht auf. Nach seltenen sieben Punkten in Serie entlud sich am Dienstagabend die gesamte Anspannung, euphorisch hüpfte der gesamte DTB-Tross im Kreis. Struff hatte mit einem 7:6 (8:6), 3:6, 6:2 gegen den Weltranglisten-Zwölften Cameron Norrie die Doppel-Show nach einem Rückstand erst ermöglicht.
«Leider wird es ein kurzes Techtelmechtel»
«Leider wird es ein kurzes Techtelmechtel bleiben hier von Kevin und mir», meinte Pütz angesichts dessen, dass beide auf der regulären Tour andere Partner haben. Krawietz bildet ein Duo mit Andreas Mies, der nach seiner Verletzung 2022 auch eine starke Davis-Cup-Alternative ist.
Bei Gulasch- und Nudelsuppe und Wiener Würstchen zu später Stunde im Interalpen-Hotel Tyrol in Telfs blickten die Tennis-Herren schnell wieder nach vorn. Am Mittwochmorgen verließen sie ihr bisheriges Domizil, mit dem Charterflieger ging’s nach Madrid. Nach zuvor drei Partien in vier Tagen bleibt zumindest etwas Zeit bis Samstag.
«Madrid war unser Minimalziel. So, wie wir uns hier präsentiert haben, bin ich eigentlich guter Dinge, dass wir uns da auf jeden Fall Chancen ausrechnen», sagte Teamchef Michael Kohlmann. Der 47-Jährige hat bei dem Ziel, das Finale zu erreichen, auch die Zukunft im Blick. Die Finalisten sind 2022 ohne Qualifikationsrunde direkt beim Endrundenturnier. «Für uns wäre die direkte Qualifikation fürs nächste Jahr mit Sicherheit eine Riesensache.»