Inmitten der eiligen Trainersuche geht es für RB Leipzig um das Überwintern im internationalen Geschäft.
Als Platzhalter an der Seitenlinie soll Achim Beierlorzer im Fernduell mit dem FC Brügge wenigstens noch Gruppenplatz drei in der Champions League sichern – und damit Europa-League-Spiele im neuen Jahr. Mit dem englischen Meister Manchester City wartet allerdings an diesem Dienstag (18.45 Uhr/DAZN) der nächste Härtetest. Selbst eine Niederlage würde reichen – wenn Brügge zeitgleich bei Paris Saint-Germain verliert.
Die Grundsatzfrage nach der Trennung von Jesse Marsch am Cottaweg in Leipzig lautet jedoch: Greift der vom Brause-Imperium Red Bull getragene Club ins obere Trainer-Regal wie einst beim Nagelsmann-Coup? Oder begnügt sich die derzeit minimierte sportliche Führung ohne Sportdirektor mit einem der eher erwartbaren Kandidaten. Der zeitliche Handlungsspielraum ist eng, der finanzielle Puffer in Corona-Zeiten limitiert. Allerdings nahm RB mit den Verkäufen an den FC Bayern viel ein: Für Julian Nagelsmann flossen rund 25 Millionen Euro, für Dayot Upamecano 42,5 Millionen und für Marcel Sabitzer gab es noch einmal rund 15 Millionen Euro.
Marsch-Nachfolger soll schnell kommen
Noch vor Weihnachten soll ein Marsch-Nachfolger präsentiert werden. Dem Vernehmen nach hat Roger Schmidt (PSV Eindhoven) Bedenkzeit von RB bekommen. Domenico Tedesco wäre sofort verfügbar und dürfte mit in der Auswahl sein. Die Varianten Erik ten Hag (Ajax Amsterdam), Bo Svensson (FSV Mainz 05) und Robert Klauß (1. FC Nürnberg) dürften zum jetzigen Zeitpunkt kaum infrage kommen.
Bis dahin muss Beierlorzer in seiner zweiten Amtszeit – er übernahm 2015 schon nach dem Aus von Alexander Zorniger – Schadensbegrenzung betreiben. Und Ergebnisse liefern: Erst das Überwintern im Europapokal sichern, was eine Trainerverpflichtung etwas einfacher machen würde, dann Pflichtsiege gegen Mönchengladbach, in Augsburg und gegen Bielefeld einfahren.
«Die Mannschaft ist in der Pflicht», meinte RB-Chef Oliver Mintzlaff am vergangenen Freitag nach der dritten Bundesliga-Pleite in Serie. Das City-Team von Pep Guardiola wird den kriselnden Bundesliga-Vizemeister genau an den Ballbesitz-Fußball von Marsch-Vorgänger Nagelsmann erinnern – und an die 3:6-Niederlage zum Auftakt der Champions League im September.
Freiheiten nicht genutzt
Wie reagiert das Team um RB-Kapitän Péter Gulácsi nach dem Marsch-Aus? Die vom US-Coach vorgegebenen Freiheiten im Spiel nach dem Taktik-Korsett von Nagelsmann, der sich regelmäßig mit dem Spanier Guardiola austauscht, wussten die RB-Profis nicht zu nutzen. Einzig Christopher Nkunku blühte mit seinem vertikalen Drang auf.
Dagegen war der von den Cityzens erst ausgeliehene, dann verpflichtete Angeliño zuletzt nur ein Schatten seiner selbst. Das trifft auch für den 23 Millionen Euro-Neuzugang André Silva zu, dem das RB-System immer wieder Schwierigkeiten bereitet und dem die Durchschlagskraft fehlt.
Überhaupt, die Gier nach dem Ball, das hohe Pressing, schnelles Umschaltspiel und die leidenschaftliche Rückwärtsbewegung waren zuletzt aus der RB-DNA fast verschwunden. «Die Mannschaft war nicht zu 100 Prozent bereit, dieser Überzeugung und den Matchplänen zu folgen», kritisierte Mintzlaff, der nach den Selbstzweifeln von Marsch viel zu spät handelte. Erst nach 21 Pflichtspielen mit einem Punkteschnitt von 1,33 pro Spiel war es dann alternativlos – vor allem für die Ansprüche im RB-Kosmos.