Mann, Frau, Sensation, Märchen: Fallon Sherrock würde davon am liebsten nichts mehr hören und einfach ohne Nebengeräusche ihrem Sport nachgehen: «Ich bin eine professionelle Darts-Spielerin und keine Kuriosität.»
«Letztendlich nehme ich an Darts-Veranstaltungen teil, die für alle offen sind und nicht als Frau in einem Männer-Event», sagte die 27 Jahre alte Engländerin vor Beginn der WM der Deutschen Presse-Agentur. Die Realität sieht aber – natürlich – mal wieder anders aus.
Kämpferin für die Gleichberechtigung im Darts
Drei Tage hat Sherrock nach eigenen Angaben damit verbracht, all die Medienanfragen zu beantworten. Der Weltverband PDC und die Sender präsentieren ihr WM-Plakat mit den drei Starspielern Gerwyn Price, Michael van Gerwen, Peter Wright – und mit Sherrock, die vor zwei Jahren Geschichte schrieb, weil sie als erste Frau zwei WM-Spiele gegen Männer gewonnen hatte. Sherrock, ehemals Friseurin, schaffte es bis in die Weltnachrichten, erhielt von überall her Gratulationen und galt fortan als Kämpferin für die Gleichberechtigung im Darts-Sport.
Wenn die «Queen of the Palace», wie Sherrock genannt wird, am 19. Dezember (22.00 Uhr/Sport1 und DAZN) zur WM nach London zurückkehrt, hat sich die Debatte ordentlich weiterentwickelt. Im Erstrundenmatch gegen Landsmann Steve Beaton gilt Sherrock nach starken Leistungen im Herbst als Favoritin. Ein Sieg wäre keine Sensation mehr, sondern das, was man von der besten Darts-Spielerin der Welt erwartet. Stattdessen wird inzwischen diskutiert, ob Sherrock für die prestigeträchtige Premier League eine Wildcard erhalten sollte.
Die Engländerin möchte «natürlich» gerne teilnehmen. «Die Premier League ist ein Wettbewerb und kein Ranglistenturnier. Also würde ich entspannt in jede Partie gehen, versuchen mein Spiel zu spielen und es einfach nur genießen», sagte Sherrock dem Fachportal «Checkout – Der Darts-Podcast».
Kontroverse Diskussion in der Darts-Szene
Die Debatte wird an diesem Punkt heikel: Wie viel Frau soll sein? Und wie viel Leistungsgedanke? Natürlich würde die PDC das Interesse an ihrem Premiumprodukt mit Sherrocks Berufung befeuern – die erste Frau in der elitären Liga, in der als feste Starter bisher nur Männer ran durften. Andererseits: Sie hat derzeit keine Tour-Card als Berechtigung für die großen Turniere und steht in der Weltrangliste auf Position 94. Für die Premier League gibt es gerade einmal zehn Plätze. Es würden sicher andere Akteure unberücksichtigt bleiben, die sportlich eher dran wären.
Wird es dem Sport und auch Fallon Sherrock gerecht, sie dann in die Premier League zu hieven, wenn offensichtlich nicht in erster Linie die sportliche Leistung, sondern ihr Geschlecht dafür ausschlaggebend ist? In der Darts-Szene wird das kontrovers diskutiert. Weltmeister Price, der immer wieder Bewunderung für Sherrock äußerte, kommentierte einen solchen Vorschlag des Ex-Profis Wayne Mardle mit den drastischen Worten: «Ist er völlig verrückt geworden?»
«Diese Frau verdient einen Platz»
Auch der deutsche Experte Elmar Paulke ist eher skeptisch. «Man kann sagen, das ist ein Einladungsturnier. Aber da muss die PDC echt aufpassen, dass sie nicht an Glaubwürdigkeit verliert», sagte der Kommentator und verwies auf weitere seit Jahren wartende Top-Spieler. Er halte den von Mardle im November vorgebrachten Vorschlag für «eine Schnapsidee». Eine Entscheidung wird im Januar nach der WM erwartet.
Das Meinungsbild ist dabei alles andere als eindeutig. Deutschlands Nummer eins, Gabriel Clemens, könnte eine Berufung Sherrocks für den Wettbewerb nachvollziehen. Und Paradiesvogel Wright, der sich jüngst zu einem 16:13-Sieg gegen Sherrock mühte, sagte sogar: «Wenn es meine Entscheidung wäre, würde ich sie reinnehmen. Die Premier League ist die größte Darts-Show der Welt. Diese Frau verdient einen Platz.»
Einen Vorgeschmack auf das Jahr 2022 könnte schon die dritte WM-Runde bieten. Gewinnt Sherrock ihre ersten beiden Matches gegen Beaton und den Belgier Kim Huybrechts, bekäme sie in Runde drei das ultimative Duell mit Primus Price. «Ich würde gerne gegen Gerwyn Price spielen. Er ist der Weltmeister, jeder will gegen den Weltmeister spielen. Es wäre einfach nur toll», sagte Sherrock. Ob Price dieses Duell auch so herbeisehnt, darf bezweifelt werden. Er hätte in einem Showdown «bester Mann gegen beste Frau» deutlich weniger zu gewinnen.