Vierschanzentournee: Kobayashi gewinnt ohne Vierfachcoup

Ryoyu Kobayashi hakte seinen zweiten Triumph bei der Vierschanzentournee beinahe geschäftsmäßig ab, die deutschen Skispringer waren in der Endabrechnung so schlecht wie seit fünf Jahren nicht mehr.

«Die Tournee ist nicht 100-prozentig so gelaufen wie wir wollten, aber es geht weiter. Es kommt Olympia und eine Skiflug-WM», sagte Bundestrainer Stefan Horngacher in Bischofshofen. Karl Geiger als Gesamtvierter und Markus Eisenbichler auf Rang fünf schafften beim verpassten Vierfachsieg von Kobayashi weder den seit 20 Jahren ersehnten Triumph, noch das Gesamtpodest – das ist letztmals im Winter 2016/17 passiert.

«Karl hat sich selbst eingegraben, das war nicht ganz optimal. Bei der Summe aller Dinge verliert man zu viele Punkte», bilanzierte Horngacher in der ARD. Für Kobayashi hingegen ging alles auf – bis auf den letzten der vier Siege, den er 2018/19 auch noch geschafft hatte. Er sei darüber nur ein bisschen enttäuscht, sagte der 25 Jahre alte Gelb-Träger. «In unserem kleinen Wohnzimmer hätte Ryoyu ein Spezialzimmerchen gehabt mit einem goldenen Sofa», sagte Sven Hannawald, der 2001/02 den Anfang mit vier Einzelsiegen machte. 2017/18 schaffte dies auch der Pole Kamil Stoch.

Kobayashi: Freude über den goldenen Adler

«Ich freue mich, dass ich den goldenen Adler gewonnen habe. Ich bin total glücklich», sagte Kobayashi, wie gewohnt kurz angebunden. Für ihn gab es 100.000 Schweizer Franken (rund 96.000 Euro), das Sieger-Preisgeld war vor diesem Winter verfünffacht worden. «Er freut sich schon», sagte Eisenbichler über Kobayashi. Hinter ihm komplettierten Marius Lindvik und der Tageszweite Halvor Egner Granerud (beide Norwegen) das Gesamtpodest. Geiger holte beim Tagessieg des Österreichers Daniel Huber immerhin Rang drei.

«Mit dem heutigen Tag bin ich sehr zufrieden. Der erste Sprung war eine richtige Rakete. Ich bin mega happy nach den letzten Tagen. Insgesamt sind es gemischte Gefühle», sagte Geiger, der nach einem Paradesprung auf 140,5 Meter zur Halbzeit noch geführt hatte. Er sprach von einem «Happy End», wollte es aber nächstes Jahr «besser machen». Die 132 Meter im zweiten Sprung reichten nicht zum ersten deutschen Tagessieg seit Oberstdorf 2020.

Horngacher kündigte selbstbewusst an: «Ich bin trotzdem zufrieden mit der Tournee. Es hat nicht alles funktioniert, aber das passiert halt. Wir werden nächstes Jahr wieder da stehen.» 21 Jahre wird der Triumph von Hannawald im nächsten Winter her sein. Quasi alle anderen Titel haben die deutschen Adler in diesem Zeitraum gewonnen – nur bei der Tournee will es einfach nicht klappen.

Geiger in Tournee-Gesamtwertung Vierter

Wegen der windbedingten Absage in Innsbruck war es das zweite Bischofshofen-Springen innerhalb zweier Tage. Und es wurde eine spektakuläre Show mit ganz weiten Flügen. Eisenbichler (133 und 134 Meter) belegte nach einem starken Quali-Versuch den achten Rang und fiel damit im Gesamtranking hinter Geiger zurück. Auch für ihn war es eine Tournee mit vielen Aufs und Abs.

Im dicht gedrängten Kalender, in dem am Donnerstag sogar zwischen Qualifikation und Wettbewerb noch PCR-Tests für das kommende Weltcup-Wochenende in Bischofshofen nötig waren, erlaubte sich Kobayashi quasi keine Fehler. Wie vor drei Jahren hatte er in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen nur einen knappen Vorsprung, doch es reichte ihm dreimal – und in der Gesamtwertung deutlich. Für eine «sportlich gesehen unglaublich grandiose Leistung» (Severin Freund) einer weiteren Vierfachserie war es aber nicht genug. «Ich habe wirklich angegriffen», versicherte Kobayashi – doch diesmal waren andere besser.

Für die Gegner kommt sein Lauf nicht überraschend. Es sei ein Stück weit erklärbar, weil Regeln wie Wind- und Anlaufpunkte für mehr Gerechtigkeit sorgen, erläuterte Freund. Kobayashi gab sich die komplette Tournee über wortkarg, antwortet kurz und nichtssagend. Auf die Frage, ob ihn das täglich ausführliche Interviewprozedere nerve, antwortete Kobayashi nur: «Es ist kalt.» Sportlich wurde der stoische Japaner zur unschaffbaren Herausforderung. «Er kann sich nur selbst schlagen», ordnete Eisenbichler ein. Am Donnerstag kam es anders.

Deutsche Adler müssen weiter warten

Geiger und Eisenbichler hatten die Spitzenleistungen und vor allem die Konstanz von vor Weihnachten vermissen lassen. «Das Ziel war eine andere Platzierung. Die ist durch», hatte ein schwer enttäuschter  Geiger schon nach dem ersten Teil des Bischofshofen-Doppels eingestanden. «Eisei» konstatierte: «Aus kleinen Niederlagen lernt man viel mehr, als wenn man immer gewinnt.» Auch das Gelbe Trikot des Gesamtführenden gab Geiger an Kobayashi ab, der in dieser Form auch bei Olympia in China (4. bis 20. Februar) Topfavorit sein wird.

Die deutschen Adler müssen sich weiter gedulden. Jubilar Hannawald verbrachte den Dreikönigstag als ARD-Experte. «Die Erinnerungen sind so, als wäre es letzten Monat gewesen», merkte der 47-Jährige an. Die Feierlichkeiten zu 20 Jahren Vierfachsieg fielen coronabedingt allesamt aus. Hannawald stört sich daran nicht. «Das holen wir zum 25. Jubiläum nach», sagte er. Bis dahin haben Eisenbichler, Geiger & Co. einige weitere Chancen. «Nächstes Jahr ist wieder ’ne Tournee», sagte Eisenbichler.

Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa