Zeit von «Big Ben» ist abgelaufen: Chiefs bezwingen Steelers

Im Grunde wusste Ben Roethlisberger schon vor der Reise nach Kansas City, wie seine Karriere in der NFL nach 18 Jahren enden würde.

«Wohl das beste Team im Football. Wir haben keine Chance», sagte der 39 Jahre alte Quarterback der Pittsburgh Steelers vor dem Playoff-Duell mit den Kansas City Chiefs. Er meinte das zwar sarkastisch und hatte noch ein «also lasst uns da einfach hinfahren und Spaß haben» hinzugefügt – aber nicht mal den gönnte ihm der Favorit auf der anderen Seite: 21:42 hieß es am Ende aus Sicht der Steelers.

Roethlisbergers Karriere endet also mit einer krachenden Niederlage. Dass er in der kommenden Saison nicht mehr spielt, daran zweifelt niemand mehr. Auch er selbst nicht, dazu waren die Signale zuletzt zu eindeutig. «Es war eine Ehre und eine Freude», sagte Steelers-Trainer Mike Tomlin.

Großer Abstand zu besten Spielern

Von Chiefs-Quarterback Patrick Mahomes, dessen Trainer Andy Reid und weiteren Leuten aus den Reihen der Chiefs gab es entsprechende Gesten nach dem letzten Pass. «Ich habe ihm einfach gesagt, wie viel Respekt ich vor ihm habe. Ich bin aufgewachsen damit, ihm zuzuschauen. Er kämpft bis zum Ende», sagte Mahomes.

Wohl kein gegnerischer Quarterback hätte zuvor aber so deutlich machen können, wie groß der Abstand des NFL-Routiniers zu den besten auf dieser Position inzwischen ist. Roethlisberger kam auf 215 Yards und zwei Touchdowns. Mahomes? Lieferte bei 404 Yards fünf Touchdown-Pässe ab. Sportlich ist das Ende also nachvollziehbar – trotzdem werden ihn die Leute in Pittsburgh vermissen.

Einen wie Roethlisberger gibt es in der NFL nicht noch mal. Der 1,96 Meter große Kerl mit Vollbart, der am 2. März seinen 40. Geburtstag nun aller Wahrscheinlichkeit nach als Footballer im Ruhestand feiern wird, sieht aus und bewegt sich inzwischen wie ein Bär – und hat seine ganze Karriere über auch so furchtlos gespielt wie ein Grizzly. Verteidiger nur noch Zentimeter entfernt? Ein Zusammenstoß unausweichlich? Roethlisberger behielt den Ball stets so lange wie notwendig, um doch noch eine Lösung zu finden in kniffligen Situationen. Und er nahm dabei wenig Rücksicht auf seine eigene Gesundheit. Mit Trainern gab es deswegen auch mal Streit.

Ausführliches Porträt bei ESPN

Der US-Sportriese ESPN würdigte «Big Ben», wie er von den meisten im NFL-Zirkus genannt wird, zuletzt mit einem ausführlichen Porträt – und beschrieb noch einmal jene Szene, die die Mehrheit der Football-Fans vor Augen hat: Jenen Pass im Super Bowl XLIII am 1. Februar 2009, als er seinen Mitspieler Santonio Holmes in der hintersten Ecke der Endzone fand und durch den Touchdown den zweiten Titel mit den Steelers ermöglichte. Seither allerdings warten die Fans in Pittsburgh auf eine Rückkehr ins Finale. Auch deswegen wurde Roethlisberger doch nicht zu dem Quarterback, der es mit Tom Brady und den New England Patriots aufnehmen kann.

Brady ist inzwischen 44 Jahre alt, hat den Super Bowl sieben Mal gewonnen und weiterhin die Chance auf die Titelverteidigung mit den Tampa Bay Buccaneers. Das 31:15 gegen die Philadelphia Eagles am Sonntag wirkte mühelos, die Partie war nach dem dritten Viertel entschieden. Vergleichen mit Roethlisberger ist der erfolgreichste Spieler in der Geschichte der NFL längst entwachsen – und auch wenn Brady zu seiner Zeit bei den Patriots durchaus in sportliche Skandale verwickelt war, hat er sich abseits des Platzes immer das Image des perfekten Schwiegersohns bewahrt. Von Roethlisberger, dem zwei Mal sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde, würde das niemand behaupten.

Trotzdem bereiteten ihm die Fans einen emotionalen Abschied beim letzten Heimspiel, einem 26:14 gegen die Cleveland Browns am 3. Januar. Da sah noch alles so aus, als sei schon die Partie bei den Baltimore Ravens der letzte Auftritt Roehtlisbergers auf der NFL-Bühne. Ein Sieg und glückliche Umstände bei anderen Partien ermöglichten den Steelers dann aber doch noch den Sprung in die Playoffs und die Zugabe gegen die Chiefs – die dann zu einer schmerzhaft deutlichen Angelegenheit wurde und wohl die letzten Zweifel beseitigt haben dürfte, so es noch welche gab. Für «Big Ben» ist die Zeit in der NFL vorbei.

Von Maximilian Haupt, dpa