Auch ohne NHL-Stars viel Spektakel und hohes Niveau erwartet

Weltstar Alexander Owetschkin wird am Mittwoch nicht auf dem olympischen Eis in Peking stehen, wenn Top-Favorit Russland das Eishockey-Turnier der Männer gegen die Schweiz eröffnet.

Auch die beiden aktuell womöglich besten Spieler der Welt, Connor McDavid und Leon Draisaitl, stehen sich einen Tag später im Spiel Kanada gegen Deutschland nicht gegenüber. Wie schon 2018, als Deutschland im Finale von Pyeongchang nur 51 Sekunden von der Gold-Sensation entfernt war, sind die Spieler aus der NHL bei Olympia nicht dabei.

Söderholm von hohem Niveau überzeugt

Die beste Liga der Welt zog diesmal im Dezember ihre Zusage wegen der Coronavirus-Pandemie zurück. Auch wenn Kritiker wieder das ganz große Spektakel vermissen – schwach besetzt ist das Olympia-Turnier nicht. «Es gibt hier schon viele ehemalige und zukünftige NHL-Spieler», sagte Bundestrainer Toni Söderholm der Deutschen Presse-Agentur vor dem Turnierstart. «Das Niveau wird sicher hoch sein.»

Viele Experten und die meisten Teilnehmer sehen das ähnlich, denn der NHL-Faktor in Peking ist nicht gerade gering. «Das Niveau wird sehr hoch sein, wenn man sich die Teams anschaut», sagte Nationalstürmer Dominik Kahun, einer von fünf ehemaligen NHL-Spielern im deutschen Kader, die zusammen auf über 1000 NHL-Spiele kommen.

Ein Schlüsselspieler im deutschen Team ist Tom Kühnhackl, der sich seinen Platz im Welt-Eishockey durch zwei Stanley-Cup-Titel mit den Pittsburgh Penguins gesichert hat. Der 30 Jahre alte Sohn des deutschen Idols Erich Kühnhackl ist nicht der einzige prominente Spieler, der 2021 keinen NHL-Vertrag mehr bekommen hat. Kühnhackl spielt nun in der starken schwedischen Liga bei Skellefteå AIK.

DEB-Team startet gegen die Kanadier

Wenn das deutsche Team am Donnerstag (14.10 Uhr/ZDF und Eurosport) gegen Kanada antritt, wird der Rekord-Olympiasieger von Kapitän Eric Staal angeführt. Für den 37-Jährigen war nach 1376 Spielen in der NHL und dem Stanley-Cup-Finale im Vorjahr bei den Montreal Canadiens kein Platz mehr. «Es wird ein sehr starkes Turnier werden», befand auch Staal, der zu den wenigen Spielern weltweit gehört, der bereits je einmal Olympia-Gold (2010), den Stanley Cup (2006) und die Weltmeisterschaft (2007) gewann.

Staal ist mit dem Tschechen David Krejci der womöglich größte Name im Turnier. Der 35 Jahre alte langjährige Profi der Boston Bruins ging freiwillig zurück in seine Heimat nach Tschechien und kann nun zum dritten Mal nach 2010 und 2014 an den Winterspielen teilnehmen. Auch bei den Russen tummeln sich einige Spieler mit dem Prädikat Weltklasse. Alleine Artjom Anisimow kommt auf 814 NHL-Spiele, auch Slawa Wojnow oder Nikita Gussew haben klangvolle Namen.

Viele Collegespieler im US-Team

Einen anderen Weg als die meisten Teams gehen die USA, die mit etlichen Collegespielern anreisen und so bereits beim berühmten «Miracle on Ice» 1980 Erfolg hatten. Söderholm sieht beim deutschen Vorrundengegner (Sonntag, 14.10 Uhr) viele Top-Talente und künftige NHL-Spieler. «Collegespieler hin oder her, die werden gerade auf dem kleinen Eis schon Vorteile haben», sagte auch Kahun.

Erstmals seit 2010 wird das Olympia-Turnier nämlich wieder auf der in der NHL üblichen kleineren Eisfläche gespielt. «Das wird auf jeden Fall unterhaltsamer», sagte der Schwede Joakim Nordström – ebenfalls ein Ex-NHL-Spieler. «Es ist ein anderes Spiel auf dem kleineren Eis», sagte der frühere Düsseldorfer und Mannheimer Brandon Yip.

Der gebürtige Kanadier ist Teil eines eher zweifelhaften Projekts, das indes auch dem Niveau zuträglich sein sollte. China nämlich ist als Gastgeber automatisch dabei. Der Weltverband machte sich wegen der eigentlichen Leistungsfähigkeit der Asiaten aber so große Sorgen ums Image, dass er erwägte, China das Startrecht wieder zu entziehen. Dies wäre indes eine Affront gegen das stolze Land gewesen, weshalb man sich auf einen Kompromiss einigte: China – ebenfalls deutscher Vorrundengegner am Samstag (9.40 Uhr/ZDF und Eurosport) – darf teilnehmen und tritt mit 16 eingebürgerten Nordamerikanern an.

Auch dies wird dazu führen, dass die Nationen leistungsmäßig ohne aktuelle NHL-Stars näher zusammenrücken. «Es wird ein sehr, sehr enges Turnier», sagte Söderholm, der auf einen Effekt wie 2018 hofft. «Der Vorteil für die Europäer ist, dass sie eingespielt sind. Ich wette daher, dass der Olympiasieger aus Europa kommt. Auch wir haben eine gute Chance», sagte er zuletzt der «Bild am Sonntag».

Von Carsten Lappe, dpa