Zwischen Riesenwellen und Risiko: Steudtner gibt Comeback

Als Sebastian Steudtner von einer mehr als 15 Meter hohen Welle vom Surfbrett gefegt wird, bleibt sein Spotter ganz ruhig. «Man down, man down», spricht Miguel Prata in sein Funkgerät, frei übersetzt bedeutet das so viel wie «Mann über Bord».

Prata steht mit Fernglas und Headset auf einem Aussichtspunkt neben dem Leuchtturm im portugiesischen Nazaré, er hat die Riesenwellen im Blick, in denen Steudtner an diesem Freitag unterwegs ist.

Das Meer wirkt von hier oben wild und unberechenbar, Steudtner ist in den tosenden Schaumbergen nicht mehr zu erkennen, Prata ist die Ruhe selbst. Innerhalb von Sekunden dirigiert er die Jetski-Fahrer in die Nähe der Stelle, wo es Steudtner erwischt hat. Kurz darauf taucht Deutschlands mit großem Abstand bester Big-Wave-Surfer wieder auf. «Das erste Mal wieder die Geschwindigkeit zu spüren, dieses Gefühl zu haben, ist voll geil. Das war echt ein mega Saisonabschluss», wird der 36-Jährige nach knapp neun Stunden im Atlantik später sagen.

Schwierige Bedingungen fürs Comeback

Nach seinem Fußbruch Ende Oktober und anschließender Operation war Steudtner monatelang raus. Er hat danach hart trainiert, fast jeden Tag geschwommen oder Gewichte gestemmt, aber in extremen Bedingungen wie mit bis zu 20 Meter hohen Wasserbergen war er seitdem nicht mehr unterwegs. Sein Comeback war darum mit einem vielleicht noch größeren Risiko als ohnehin schon verbunden. Aber genauso wie Nazaré längst für seine Riesenwellen bekannt ist, weiß man über Steudtner, dass er sich so schnell nicht nervös machen lässt – erst recht nicht von ein paar wild schwankenden Türmen im Ozean.

«Die Bedingungen waren super, super schwierig. Es war sehr viel Wind, sehr viel Unruhe im Wasser. Deswegen war es natürlich noch mal eine besondere Herausforderung für den Fuß und die Stabilität», sagte er im Anschluss. Doch trotz allem: Es war ein guter Tag für den in Nürnberg aufgewachsenen Wellenreiter. Er habe sogar «eine richtig große Welle» erwischt, berichtet er später mit einem Lächeln im Gesicht. Um diese Monsterwellen überhaupt surfen zu können, müssen die Athleten in Steudtners Sportart per Jetski auf den Wasserberg gezogen werden. Sollten sie stürzen, sind die Jetski-Fahrer sofort zur Stelle, um zu helfen.

Steudtner wanderte mit 16 nach Hawaii aus

Vor einiger Zeit wurde Steudtner so schwer erwischt, dass er fast zwei Minuten unter Wasser war. Es gehe darum, in solchen Situationen die Ruhe zu bewahren, erzählte er mal in einer ARD-Dokumentation. Auch weil er sich diese Eigenschaft antrainiert hat, gehört er längst zu den besten Big-Wave-Surfern der Welt. Dreimal hat er bereits die wichtigste Auszeichnung seiner Sportart gewonnen: Ein Deutscher, der die von Brasilianern, Amerikanern, Australiern oder Südeuropäern dominierte Welt durcheinanderwirbelte. Bereits im Alter von 16 Jahren war Steudtner nach Hawaii ausgewandert, um das Surfen zu lernen.

20 Jahre später ist er noch längst nicht am Ende. Im Gegenteil: In den nächsten Wochen will Steudtner weiter trainieren, um im Laufe des Jahres die nächsten Riesenwellen der Weltmeere surfen zu können. Auch dabei wird er auf die Hilfe von Spottern wie Miguel Prata angewiesen sein.

Leute wie Prata teilen Steudtner und seinen Jetski-Fahrern von ihren Beobachtungspunkten nicht nur mit, wo in den nächsten Minuten die beste Welle brechen könnte. «Wir sind vor allem dafür da, um zu helfen, wenn die Surfer gestürzt sind», erzählt er. So wie am Freitag in Nazaré. Aber das kennt Sebastian Steudtner ja schon. Es wird ihn nicht davon abhalten, die nächsten Riesenwellen zu suchen.

Von Nils Bastek, dpa