Rätseln und täuschen: Formel 1 sucht ihren Favoriten

Sebastian Vettel bemühte sich nach den letzten Testkilometern vor dem Start der neuen Formel-1-Saison erst gar nicht um die Auflösung des Rätsels.

«Keiner weiß wirklich, wo er gerade steht», sagte der viermalige Weltmeister am Ende der Probefahrten in Bahrain. In Sakhir wird das Auftaktrennen gefahren, das Kräfteverhältnis ist auch wegen der umfassenden Regelkur mit stark veränderten Autos noch ziemlich unklar. Sicher ist nur: Die Favoritenrolle will niemand haben.

«Im Moment glaube ich nicht, dass wir um Siege kämpfen werden», fasste Rekordweltmeister Lewis Hamilton seine Test-Eindrücke zusammen. Sein Mercedes-Team spulte mit 384 Übungsrunden die meisten in Bahrain ab. «Ferrari scheint am schnellsten zu sein, und vielleicht Red Bull und dann vielleicht wir oder McLaren. Wir sind derzeit nicht an der Spitze», behauptete der 37 Jahre alte Brite ungerührt, obwohl die Konkurrenz nach den Erfahrungen vergangener Jahre an dieser Einschätzung Zweifel hat.

Täuschungsmanöver bei Mercedes vermutet

«Das ist doch typisch Mercedes. Sie reden die anderen stark, dann kommen sie zum ersten Rennen und blasen die anderen weg», sagte Ferrari-Pilot Carlos Sainz. Im Vorjahr schienen Hamilton und Mercedes auch bei den Tests zu schwächeln, ehe der siebenmalige Champion dann den Auftakt in Bahrain gewann. «Ich bin sicher, dass Mercedes und Red Bull die Teams bleiben werden, die es zu schlagen gilt», sagte auch Ferrari-Star Charles Leclerc.

Der Verdacht: Die Silberpfeile und das Weltmeister-Team Red Bull um Titelverteidiger Max Verstappen haben an den sechs Testtagen in Barcelona und Sakhir längst nicht alles gezeigt, was ihre neuen Autos können. «Keiner macht im Moment volle Pulle», räumte Verstappen ein, nachdem er zum Test-Abschluss am Samstag die mit Abstand schnellste Runde gedreht hatte. Der laute Jubel in der Red-Bull-Garage wurde von Beobachtern immerhin als Zeichen der Zufriedenheit mit den Test-Fortschritten gewertet.

Jedes Team hat mit Bedingungen zu kämpfen

Zu kämpfen haben anscheinend alle Teams noch mit den neuen aerodynamischen Regeln, die dafür sorgen, dass die Autos bisweilen hoppeln und dadurch Zeit verlieren. Wer hier die richtige Einstellung bei der Bodenfreiheit für seine Boliden findet, erhöht seine Chancen gewaltig. «Diese Autos sind ziemlich anders. Man merkt das erhöhte Gewicht, das macht die Autos etwas mühsamer zu fahren», erklärte Vettel.

Die Hoffnung der Regelwächter auf engere Duelle scheint sich indes zu erfüllen. Die Veränderungen bewirken offenbar, dass Autos über längere Zeit dichter hintereinander herfahren können, ohne dass der Verfolger Abtrieb verliert und sich die Reifen ruiniert. «Ich denke, dass es viel enger wird und dass wir eine größere Gruppe von konkurrenzfähigen Rennställen haben werden», sagte Formel-1-Sportchef Ross Brawn.

Von Christian Hollmann und Thomas Wolfer, dpa