Noch mehr Action: Radikalkur für die Formel 1

Neue Nummer 1, neue Autos, noch mehr Action: Nach einem Radikal-Umbau will die Formel 1 dem Drama-Finale von 2021 noch eins draufsetzen. Die Rennleitung wurde ausgetauscht, ein Videoreferee installiert, und die Hauptdarsteller sind bereit für die nächsten epischen Duelle.

«Wenn ihr denkt, dass ihr Ende vergangenen Jahres das Beste von mir gesehen habt, dann wartet dieses Jahr ab», tönte Rekordweltmeister Lewis Hamilton. 2022 startet der 37 Jahre alte Mercedes-Superstar in der ungewohnten Rolle des Herausforderers.

Stolz mit der Nummer 1 des Champions statt der persönlichen Startnummer 33 auf dem Red Bull will Max Verstappen seinen ersten WM-Titel verteidigen. «Ich möchte immer gewinnen, aber dieses verzweifelte ‚ich muss gewinnen‘ ist weg», sagte der 24 Jahre alte Niederländer, der sich nach seinem Premieren-Triumph erstmal ein paar Tage in Brasilien und Miami gegönnt hatte.

Die drei, vier Kilo, die er über die Wintertage zugelegt hatte, sind längst wieder abtrainiert. Mit der Bestzeit stimmte sich Verstappen bei den letzten Testfahrten auf den Grand-Prix-Auftakt am Sonntag in der Wüste von Sakhir ein.

Auf dem Kurs, der laut frischem Vertrag bis mindestens 2036 die Formel 1 begrüßen wird, startet das eigentlich als Rekordsaison geplante WM-Jahr. Einen Ersatz für das Russland-Rennen, das wegen des Krieges in der Ukraine abgesetzt wurde, gibt es aber noch nicht. Aktuell sind 22 statt 23 Rennen im Kalender – neu dabei ist Miami.

Neuer Prüfstein für Schumacher und neuer Teamchef für Vettel

Deutschland ist wieder nicht dabei – trotz Sebastian Vettel und Mick Schumacher, die sich beide einen deutlichen Schub erhoffen. Bei Vettel wird es auch Zeit: Der Hesse wird im Sommer 35. Sein Engagement für die Umwelt, für Menschenrechte, für eine bessere Welt ist mittlerweile nachhaltiger als es seine Auftritte im Aston Martin sind. Vettels 53. und weiterhin letzter Grand-Prix-Sieg liegt lange zurück, noch im Ferrari gewann er am 22. September 2019 in Singapur.

«Es ist klar, dass jemand wie Seb, der vierfacher Weltmeister ist, nicht auf P15, P12 oder P8 herumfahren will», sagte Vettels neuer Teamchef Mike Krack – einst bei Vettels ersten Formel-1-Fahrten dessen Renningenieur. WM-Zwölfter wurde Vettel im vergangenen Jahr, das soll mit dem neuen Aston Martin besser werden. «Keiner weiß wirklich, wo er steht», betonte Vettel nach den Testfahrten.

Dort drehte Mick Schumacher am Ende die zweitbeste Runde. «Wir haben ein gutes Auto, wir haben etwas, mit dem wir arbeiten können, also kann jeder wirklich glücklich und stolz auf sich selbst sein, dass wir das erreicht haben», sagte der 22-Jährige.

Dabei lief es zuletzt alles andere als planmäßig für das amerikanische Haas-Team. Trennung vom russischen Titelsponsor, Trennung vom russischen Piloten Nikita Masepin, Transportprobleme, Verspätung bei den Testfahrten, überraschende Rückholaktion von Kevin Magnussen als Teampartner für Mick Schumacher. Der 29 Jahre alte Däne gilt als harter Stallrivale, wird mit seiner Erfahrung ein schwerer Prüfstein für Schumacher in dessen zweitem Formel-1-Jahr.

Markant wie selten: Seitenkästen von breit bis schmal

Die große Hoffnung der Teams aus der zweiten oder dritten Reihe: Mit dem neuen Design zu neuen Erfolgen. Schon lange nicht mehr waren die Autos auf den ersten Blick so unterschiedlich. Dass die Rennwagen, mit denen das Überholen erleichtert werden soll, noch mal knapp einen Zentner schwerer geworden sind, ist ihnen nicht anzusehen. Das Hoppeln bei den Testfahrten schon. Und erst recht die aerodynamischen Veränderungen von den vereinfachten Front- und Heckflügeln, über die größeren Reifen bis zu den Seitenkästen, an denen sich die Designer gehörig austobten.

Beim bereits überarbeiteten Silberpfeil W13 sind sie fast gar nicht vorhanden. Ausladend und mit einer tiefen Einkerbung sowie Kiemen zur Lüftung kommen sie indes beim neuen Ferrari daher. Der Wagen der Scuderia gefiel bei den Testfahrten am meisten und lässt manchen Tifosi schon von der Rückkehr an die Spitze träumen.

Eine Rote Sieges-Göttin?

2007 feierte Ferrari den bis dato letzten Fahrer-Triumph dank Kimi Räikkönen. Der Finne, mittlerweile 42 Jahre alt, ist dieses Jahr nicht mehr dabei. Für sein letztes Team Alfa Romeo fahren nun der erste chinesische Stammpilot Guanyu Zhou und Valtteri Bottas, der wiederum bei Mercedes Platz machen musste für George Russell.

Mit britischer Doppelspitze will das deutsche Werksteam seine bereits historische Teamtitel-Serie fortsetzen. Seit 2014 gewann Mercedes die Konstrukteurs-WM ununterbrochen. Und Hamilton und seine Mannschaft wollen der Konkurrenz auch beweisen, dass das viel diskutierte Finale der vergangenen Saison, das zur Absetzung von Rennleiter Michael Masi geführt hatte, sie letztlich nur stärker gemacht hat.

Von Jens Marx und Martin Moravec, dpa