Das Tor-Spektakel gegen Italien und die so gut wie sichere vorzeitige Viertelfinal-Qualifikation ist Deutschlands Eishockey-Nationalteam bei der WM in Finnland nicht genug.
Nach dem 9:4 gegen den Außenseiter in Helsinki ist eine hervorragende Ausgangsposition für die K.o.-Runde das neue Ziel. Die Chance auf einen erneuten Halbfinal-Coup will sich die Auswahl von Bundestrainer Toni Söderholm mit weiteren Vorrundensiegen erhöhen. «Richtig gut wäre es, wenn wir in der Tabelle auf Platz zwei kommen. Also: Jedes Spiel Vollgas geben», sagte Neuankömmling Lukas Reichel, der gleich bei seinem ersten diesjährigen WM-Einsatz überzeugte.
Dank dem vierten WM-Sieg nacheinander ist der Mannschaft des Deutschen Eishockey-Bunds der Sprung ins Viertelfinale nur noch theoretisch zu nehmen. Mit 12 Punkten liegt Deutschland vorerst auf dem dritten Rang der Gruppe A. Wenn Frankreich am Samstag gegen Dänemark verlieren sollte, ist am Weiterkommen nicht mehr zu rütteln.
«Das Viertelfinale ist schön und gut, aber für uns ist jedes Spiel wichtig», sagte NHL-Star-Verteidiger Moritz Seider. In den abschließenden Gruppenspielen gegen Kasachstan am Sonntag und gegen die Schweiz am Dienstag kann Deutschland seine Ausgangsposition verbessern, um die vermeintlich kompliziertesten Viertelfinalgegnern Finnland und Schweden zu vermeiden. «Dann wäre es natürlich umso besser, je höher wir sind. Ich glaube, so werden wir die nächsten Spiele angehen und dann hoffentlich auch als Sieger vom Feld gehen», sagte der ebenfalls nachgereiste AHL-Verteidiger Leon Gawanke.
Söderholm lobt «mentale Reife»
Gegen Italien klappte das mit exakt dem gleichen Ergebnis wie im Vorjahr. In Riga führte das 9:4 gegen damals coronageschwächte Italiener zum höchsten WM-Sieg gegen den Außenseiter und leitete den Weg bis ins Halbfinale ein.
«Wir haben Reife gezeigt. Jeder Spieler hat eine mentale Stärke gezeigt, dass wir so entschlossen, aber trotzdem mit einer gewissen Lockerheit gespielt haben», kommentierte Söderholm zufrieden.
Einen Tag nach dem Wirbel um den Feuerausbruch in der Halle vor dem 1:0 gegen Dänemark ließ der WM-Vierte und Olympia-Zehnte am vierten Vorrundensieg in Serie vor 3311 Zuschauern keine Zweifel aufkommen. Obwohl NHL-Stürmer Tim Stützle weiterhin verletzt fehlte und NHL-Torhüter Philipp Grubauer, Verteidiger Korbinian Holzer und Stürmer Leo Pföderl aussetzten, waren die Deutschen klar überlegen.
Gegen den teilweise überforderten Weltranglisten-16. trugen sich diverse Spieler in die Torschützen- und Scorerliste ein. Die WM-Debütanten Alexander Karachun (5./43. Minute) und Kai Wissmann (7.) sowie Yasin Ehliz (14./42.), Daniel Fischbuch (18./35.),der nachgereiste AHL-Stürmer Reichel bei seiner Turnier-Premiere (26.) und Samuel Soramies (58.) waren erfolgreich. Schönheitsfehler waren die drei Gegentore im Schlussdrittel von Luca Frigo (48.), Daniel Mantenuto (50.) und Alex Petan (60.). Zudem traf Tommaso Traversa (26.) für Italien.
Reichel mit einem Tor und zwei Vorlagen
«Im Großen und Ganzen war es ein gutes Spiel von uns», bilanzierte Reichel: «Wir müssen natürlich bis zum Ende spielen, egal wie es steht. War ein bisschen blöd, dass wir die Tore kassiert haben – aber so ist es halt.»
Der Stürmer aus der zweitklassigen nordamerikanischen Profiliga AHL bewies mit einem Tor und zwei Vorlagen auf Anhieb, dass er eine Bereicherung für das Team ist. «Ich will Energie reinbringen auf dem Eis, meine Beine bewegen und spielen, wie ich sonst auch spiele, dass die anderen sehen: Ja, der Kleine, der läuft und der will», hatte der jüngste Spieler im WM-Kader am Vormittag gesagt. Auch AHL-Verteidiger Leon Gawanke zeigte mit seiner Präsenz und seinen Aufbaupässen, dass er eine Verstärkung ist. Beide waren erst am Donnerstag angereist. «Die waren sehr stark», lobte Söderholm.
In den abschließenden beiden Gruppenspielen ist nun auch die beste deutsche WM-Vorrunde in Reichweite. Mit einem weiteren Sieg wäre die erfolgreichste Vorrunde eines deutschen Teams bei einer WM eingestellt. 2019 gelangen fünf Erfolge und 15 Punkte in sieben Spielen. Wenigstens ein wenig will das deutsche Eishockey-Team nun aber erstmal durchschnaufen. «Ich glaube schon, dass wir den Abend jetzt genießen können», sagte Söderholm und kündigte einen ruhigen Samstag an. «Ich glaube, das ist die letzte Möglichkeit ein bisschen den Kopf frei zu bekommen. Das sollten wir auch nutzen. So tanken wir die letzten Kräfte, die wir brauchen für den Endspurt.»