Gegen Rafael Nadal in Paris – schwerer geht es im Tennis nicht. Das wusste Alexander Zverev schon vor dem Turnier.
«Da ist etwas mit diesem Platz, das ihn 30 Prozent besser spielen lässt. Nur, indem er auf dem Platz ist», sagte Zverev über den Spanier und dessen Beziehung zum Court Philippe Chatrier. Unfassbare 13 Titel hat Nadal im Stade Roland Garros gewonnen, seine Bilanz: 110 Siege, drei Niederlagen. «Er geht auf den Platz und auf einmal ist seine Vorhand 20 Kilometer pro Stunde schneller und er bewegt sich federleicht», sagte Zverev. «Eine größere Aufgabe als gegen Rafa auf dem Court Philippe Chatrier gibt es nicht.»
Die immer selben Abläufe geben Zverev Sicherheit
Am Freitag steht Zverev vor dieser Herkulesaufgabe. Im ersten Halbfinale der French Open (14.45 Uhr/Eurosport) misst sich der Olympiasieger mit dem besten Sandplatz-Spieler der Geschichte. Nach dem Tennis-Wunderkind Carlos Alcaraz im Viertelfinale nun also der König von Paris. «Es wird nicht leichter», sagte Zverev schmunzelnd.
Doch von Nervosität oder gar Angst war bei Zverev vor der Partie nichts zu merken. Gelassen und in sich ruhend bereitete sich die deutsche Nummer eins auf das zweite Paris-Halbfinale in Serie vor. Am Mittwoch powerte er sich auf dem Trainingsplatz Jean Bouin noch einmal aus, für drei Stunden hatte er den Court mit seinem Team gebucht.
Am Donnerstag stand eine etwas lockerere Einheit über 90 Minuten an. Im hellblauen Shirt schlug Zverev mit Hitting-Partner Michail Ledowskich auf Platz 25 ein paar Bälle über das Netz, beobachtet von Trainer Sergi Bruguera und Vater Alexander Senior. Kumpel Marcelo Melo und Physio Hugo Gravil machten ein paar Scherze, erst herrschte eine lockere Stimmung. Zuvor hatte es auch Nadal auf Court 26 ruhig angehen lassen.
Der Rest bei Zverev: Routine. Das gleiche Essen, das gleiche Spiel, die gleichen Leute um sich herum. «Er ist einer, der sehr stark an seinen Abläufen festhält», sagte Mischa Zverev, der die Auftritte seines Bruders als TV-Experte bei Eurosport begleitet.
Die immer selben Abläufe geben Zverev Sicherheit. Hinzu kommt die Rolle des Underdogs, die ihm sehr zu liegen scheint. Vor dem Turnier sprach niemand über den Weltranglisten-Dritten, wenn es darum ging, die Halbfinalisten bei den French Open zu prophezeien. Alle redeten über das Grand-Slam-Comeback von Novak Djokovic nach dessen verpassten Australien Open, vom 19 Jahre alten Alleskönner Alcaraz und natürlich von Nadal.
Nadal belasten chronischen Schmerzen am Fuß
Schließlich könnten es die letzten French Open für den Paris-Liebling sein, das ließ Nadal während des Turniers immer wieder anklingen. Zu sehr belasten ihn die chronischen Schmerzen am Fuß, nur mit Hilfe der Dauerbegleitung seines persönlichen Doktors schafft er es nach eigenen Angaben durch das Turnier. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es Zverev ist, der Nadals unbeschreibliche Beziehung zu Paris und eventuell sogar dessen Karriere beendet. Wenn er den 35-Jährigen denn schlägt.
Am Donnerstag versuchte Nadal, der am Freitag 36 Jahre alt wird, allerdings zu beschwichtigen. «Es war nie meine Intention, es wie einen Abschied aussehen zu lassen», sagte der Mallorquiner im spanischen Fernsehen. «Ich habe nach wie vor Hoffnung, dass wir eine Lösung für die Probleme finden.»
Zverev selbst versucht das auszublenden. Vor den Australian Open im Januar hatte er sich zu viel Druck gemacht. Erster Grand-Slam-Titel, Nummer eins der Welt – das alles belastete ihn, im Achtelfinale war gegen den Kanadier Denis Shapovalov Schluss. In Paris steht nun dasselbe auf dem Spiel. Wieder kann Zverev sich den Traum vom ersten Grand-Slam-Titel der Karriere erfüllen, erneut kann der 25-Jährige an die Spitze der Weltrangliste stürmen. Der Unterschied zu Melbourne: Zverev lässt die Themen dieses Mal nicht alles andere überstrahlen.
Natürlich weiß er um die Chancen. «Ich bin in einem Alter und an einem Punkt meiner Karriere, wo ich gewinnen will, wo ich gewinnen sollte», sagte Zverev. Doch im Bois de Boulogne sieht er die große Herausforderung mehr als Ansporn denn als Belastung. Ebenso die Tatsache, als erster Deutscher seit Boris Becker 1991 die Nummer eins werden zu können. Sein Bruder traut ihm beides zu. «Ich glaube, jetzt ist der Moment, wo er es schaffen kann», sagte Mischa Zverev im Interview von «Sports Illustrated».