Torjäger Werner und der ewige Kampf gegen Skeptiker

Auf ausreichend Sonnenschutz hat Timo Werner schon im sommerlichen Franken geachtet. Vor seinem Jubiläumsspiel am Samstag im über 30 Grad heißen Bologna schützte der Torjäger seinen Teint. Er cremte sich beim Abschlusstraining in Herzogenaurach mehrfach Gesicht und Arme ein.

Gegen den Europameister Italien möchte Werner freilich vor allem als Fußballer gut aussehen. Es ist sein 50. Länderspiel. So viele, wird mancher Fan staunend feststellen. Der Angreifer des FC Chelsea ist zwar seit seinem Debüt beim Abschiedsspiel von Lukas Podolski in Dortmund gegen England (1:0) vor fünf Jahren ein fester Bestandteil der Nationalelf. Aber über Werners Qualitäten und seinen Wert wird weiterhin gestritten. Auch jetzt wieder – kurz vor dem Start in die Nations League und wenige Monate vor der Weltmeisterschaft in Katar.

Das Stürmerthema steht ständig auf der Agenda

Seit dem Rückzug des 2014er-Weltmeisters und DFB-Rekordtorschützen Miroslav Klose wird im Mittelstürmer-Land Deutschland nach einem Weltklasse-Neuner gefahndet. Das Stürmerthema steht ständig auf der Agenda. «Wir brauchen uns nicht zu verstecken», sagte Hansi Flick am Freitag. Er sei mit dem «Gesamtpaket in der Offensive happy», betonte der Bundestrainer. Das gelte auch für Werner. «Sehr engagiert, sehr konzentriert, sehr fit», erlebte Flick den 26-Jährigen im Training: «Er ist aktiv, was wir von ihm sehen wollen.»

Auch Bayern-Profi Leon Goretzka will die Stürmerfrage nicht «als Problem definieren». Der Mittelfeldspieler warb ebenfalls für den hinterfragten Werner: «Ich finde, Timo hat, seit Hansi bei uns ist, hervorragende Spiele gemacht. Er hat fast in jedem Spiel getroffen.»

In der Tat: Seit Hansi Flick Bundestrainer ist, spielt und trifft Werner regelmäßig. In seinen sieben Einsätzen unter Flick erzielte er sechs Tore, keiner traf häufiger. «Klar, man kann sagen, die Gegner waren dabei nicht immer in der Weltspitze angesiedelt», sagte Goretzka mit Blick auf Armenien, Nordmazedonien und Israel: «Trotzdem muss man auch in den Spielen erstmal Tore machen. Timo fühlt sich hier bei uns sehr wohl, kann Topleistungen bringen und kann Tore schießen für uns.»

Werner braucht «dieses Vertrauen von außen»

22 Tore in 49 Länderspielen sind für Werner eine ordentliche Quote. Und Flick ist ein Glücksfall für ihn. «Wenn ein Trainer einen mag und auf einen setzt, dann hilft das jedem Spieler. Gerade als Stürmer und vielleicht doppelt ich brauche dieses Vertrauen von außen», gestand der Stürmer, der auf eine mäßige Spielzeit in England zurückblickt. Elf Tore in 37 Pflichtspielen für Chelsea waren viel zu wenig.

Der Londoner Club zahlte für ihn 2020 mehr als 50 Millionen Euro an RB Leipzig. Gleich im ersten Jahr wurde er Champions-League-Sieger mit Chelsea. Gegen Italien, England und Ungarn geht es für Werner nun im Nationaltrikot darum, seine Stürmer-Position bei Flick zu behaupten.

Der Bundestrainer stärkte den 26 Jahre alten Turbo-Kicker in der Vorbereitung auf die Härtetests zum Saisonende wieder auffällig. «Wir müssen Timo noch mehr in unser Spiel einbinden», fordert der Bundestrainer. Ihm gefallen Werners Tempo und Laufwege im Sturmzentrum.

Werner ist sensibel

Chelsea-Kollege Kai Havertz wäre in der Spitze eine Alternative, auf Sicht auch die jungen Angreifer Karim Adeyemi und Lukas Nmecha. Aber Werner wird um seinen Status bei Flick kämpfen. «Ich hatte viele Auf und Abs», bemerkte er zu seiner Karriere. Werner ist sensibel. Er benötigt ein Umfeld, in dem er sich anerkannt fühlt. Seine Laufbahn ist ein ständiger Kampf gegen die Skeptiker und um Anerkennung.

Fußball ist zugleich sein Leben. «Wenn du den Spaß am Spiel verlierst, dann ist es vorbei», sagte er einmal in einem Chelsea-Video. Tore waren von Kindesbeinen an sein Antrieb. «Mein Vater hat immer zu mir gesagt, du bist ein Stürmer. Er hat nie gesagt, du bist Mittelfeldspieler, du bist Verteidiger oder Torwart.» Und jetzt bestreitet der kleine Timo aus Stuttgarter Tagen gegen Italien sein 50. Länderspiel – mit hoher Motivation und sicher gut eingecremt.

Von Klaus Bergmann und Jan Mies, dpa