Ärgerlicher Elfer: Flick verpasst Sieg gegen großen Gegner

Auf ihrer Runde durchs Stadion bedankten sich die deutschen Spieler bei ihren Fans und diskutierten eifrig. Das unglückliche Ende der Partie beim 1:1 (0:0) der Nationalmannschaft im Fußball-Klassiker gegen England trübte die Stimmung.

Ein ärgerlicher Elfmeter brachte Hansi Flick bei seiner Rückkehr nach München um den ersten Sieg gegen einen großen Gegner. «Wir haben ein tolles Spiel gezeigt und haben uns leider nicht belohnt», sagte Flick im ZDF. «Aber wir haben gegen England gespielt, eine Top-Mannschaft.»

Die extrem umgebaute Nationalmannschaft lag durch das dritte Länderspiel-Tor von Jonas Hofmann (51. Minute) lange Zeit auf Siegkurs. Dann agierte Nico Schlotterbeck unglücklich gegen Harry Kane im Strafraum. Nach Videobeweis verwandelte Englands Kapitän sicher vom Punkt gegen den ansonsten unbezwingbaren Manuel Neuer (88.). «Wir müssen das jetzt irgendwie verdauen, das 1:1 in der 88. Minute», sagte Thomas Müller. «Aber wir haben heute gezeigt, wozu wir in der Lage sind.»

Ein Spiel auf hohem taktischen Niveau

Im zweiten Nations-League-Spiel schien die deutsche Mannschaft bis dahin gegen England nicht nur die Revanche für das EM-Aus vor einem Jahr zu schaffen. Es war aber trotz des späten Ausgleichs ein wichtiges Signal für die WM am Jahresende in Katar. Der auch nach dem elften Spiel als Bundestrainer ungeschlagene Flick kommt bei der Mission «zurück in die Weltspitze» voran. Nach dem 1:1 im März in den Niederlanden und dem 1:1 in Italien war es das dritte 1:1 in Serie.

66.289 Zuschauer in der ausverkauften Allianz Arena sahen Fußball auf hohem taktischen Niveau. Tempo und Intensität stimmten. Und das Tor von Gladbachs Hofmann entsprang einer feinen Kombination über Einleiter Kai Havertz und Passgeber Joshua Kimmich. Deutschland dominierte nach der Führung, Thomas Müller verpasste nach Flanke von David Raum das 2:0 (70.), ebenso der eingewechselte Timo Werner (75). Kapitän Neuer verhinderte als starker Rückhalt gegen Kane zunächst spektakulär den Ausgleich (76.). Mit zwei Punkten geht die DFB-Auswahl nun in die nächste Partie am 11. Juni (20.45 Uhr/RTL) in Budapest gegen Ungarn.

Eine kleine unantastbare Achse in der Elf

Flick nannte seinen Startelf-Umbau auf gleich sieben Position «keine Konsequenz aus dem Italien-Spiel», sondern begründete sie vielmehr als sinnvolle Belastungsverteilung. «Wir haben nach einer langen Saison vier Spiele», sagte der 57 Jahre alte Ex-Bayern-Coach.

Trotzdem war die Aufstellung ein Zeichen, dass es nur eine kleine unantastbare Achse bei ihm gibt, bestehend aus Neuer im Tor, Abwehrchef Antonio Rüdiger, Chef-Sechser Kimmich und Thomas Müller als Anführer der Offensive. Die Neuen im Team brachten zudem die «Intensität» ein, die Flick beim 1:1 gegen Europameister Italien zum Nations-League-Auftakt über weite Strecken vermisste.

Gündogan als geschickter Ballverteiler

Aufmerksam belauerten und bekämpften sich beide Teams. Der spanische Schiedsrichter Carlos del Cerro Grande ließ viel laufen, pfiff kaum einen Zweikampf ab. Gerade im Mittelfeldzentrum taten sich kaum Räume auf. Die DFB-Elf versuchte es oft über den agilen Flankenläufer Raum.

Ilkay Gündogan war gegen seine Kollegen aus der Premier League ein geschickter Ballverteiler. Auch Youngster Jamal Musiala entzückte das Publikum mit seinen geschmeidigen Bewegungen und mutigen Dribblings. Aber England – mit noch zehn Mann vom 2:0 des EM-Achtelfinales vor einem Jahr in Wembley – stand massiert, agierte dazu nach vorne oft mit langen Bällen. Die deutsche Abwehr um Rüdiger aber stand gut.

Die Strafräume blieben oft Sperrbezirke. Als Hofmann nach einem langen Schlag von Nico Schlotterbeck allein auf Englands Torwart Jordan Pickford zulief und ins Tor traf, kassierte der Video-Assistent das 1:0 wegen Abseits (23.). Musiala schoss aus 14 Metern zu zentral in die Arme von Pickford (45.). Auch Neuer musste erstmals seine Klasse beweisen, mit der rechten Faust parierte der 36-Jährige einen Schuss von Arsenal-Angreifer Bukayo Saka (45.+1).

Die Belohnung für die aktivere Spielweise holte sich Flicks Elf nach dem Seitenwechsel ab. Havertz öffnete spielerisch den Raum, in dem Kimmich dann als Passgeber Hofmann fand, der mit seinem dritten Treffer im Nationaltrikot den feinen Spielzug krönte. Pickford machte dabei eine schlechte Figur, faustete am Ball vorbei. Torwart-Klasse zeigte dagegen kurze Zeit später Deutschlands Nummer 1, als Neuer einen wuchtigen Schuss von Mason Mount per Flugeinlage parierte. Das Spiel wogte hin und her, ehe Schlotterbecks Einsteigen im Strafraum den Engländern den Ausgleich ermöglichte.

Von Klaus Bergmann, Jan Mies und Arne Richter, dpa