Schlotterbeck als Elfer-Tölpel: Systemfehler oder nur Pech?

Nico Schlotterbeck hatte keine Lust zu reden. Natürlich wusste der junge Innenverteidiger, dass sein nächstes Elfmeter-Malheur zu unbequemen Fragen führen würde. Und dann kam auch noch Spott dazu.

«Was war da los, Schlotti?», wollte Kollege Timo Werner etwas flapsig und ein bisschen ironisch wissen, als er hinter Schlotterbeck nach dem 1:1 der Fußball-Nationalmannschaft in der Nations League gegen England durch die Münchner Mixed Zone ging.

Flick macht Schlotterbeck keine Vorwürfe

Alle wussten natürlich, was los war. Der neue Dortmunder Defensivmann hatte es schon wieder getan. Zum zweiten Mal im erst dritten Länderspiel kurz vor Schluss durch ein unbedachtes Einsteigen einen Strafstoß verursacht. Harry Kane stürzte über seinen Fuß und traf dann sicher zum ärgerlichen Ausgleich. Da bedurfte es für den 22-Jährigen schon des Zuspruchs vom Bundestrainer. «Ich glaube, dass es sehr unglücklich war heute. Es ist eine Sache, die passiert. Ich mache ihm keinen Vorwurf», sagte Hansi Flick.

Natürlich war der Pfiff des spanischen Schiedsrichters Carlos del Cerro Grande diskutabel, das Gerede über selbigen aber müßig. Der Referee sprach von einer «dummen Aktion», die ihm keine andere Wahl ließ. Flick und Schlotterbeck sehen sich aber mit der Frage konfrontiert: Ist die Elfer-Quote des scheidenden Freiburgers ein Systemfehler, also seiner speziellen Spielart geschuldet, oder einfach nur die Addition von Pech?

Nach dem ersten Malheur beim Debüt gegen Israel (2:0), das durch die Elfmeterparade von Kevin Trapp damals folgenlos blieb, hatte Flick im März noch gemahnt, dass Schlotterbeck schnell lernen müsse, dass solche Fehler in wichtigen Spielen den negativen Ausschlag auslösen können – der England-Ausgleich war nun die nächste Warnstufe. Flick weiß: Bei der WM in Katar wäre ein später Tritt womöglich fatal.

Verteidiger hofft auf WM in Katar

Doch der Bundestrainer lässt keine Grundsatzzweifel an der Befähigung Schlotterbecks aufkommen. Er schätzt den Linksfuß auch und gerade für sein mutiges Spiel, das ihn in Freiburg in den Fokus der Top-Clubs aus München und Dortmund brachte. «Er hat gezeigt, dass er eine richtige Verstärkung ist. Die Art und Weise, wie er Fußball spielt, sehr selbstbewusst. Auch wenn ein Fehler passiert, macht er einfach weiter. Das sind die Dinge, die wir brauchen», sagte Flick.

Schlotterbeck scheint von der Art zu sein, die nicht zu Selbstzweifeln neigt. Manchmal muss sich der U21-Europameister aber selbst noch daran erinnern, dass es zuletzt sehr steil nach oben ging. Nach 65 Bundesliga-Spielen und drei DFB-Einsätzen ist er ein klarer Katar-Kandidat. Mit seinem künftigem BVB-Kollegen Niklas Süle konkurriert er um den Platz neben Abwehrchef Antonio Rüdiger. «Wenn ich im Kader für Katar bin, dann hoffe ich auch auf meine Chance auf die Startelf», sagte er vor dem Elfer-Missgeschick in einem Interview der «Sport Bild».

Von Arne Richter, Jan Mies und Klaus Bergmann, dpa