Serena Williams rollte mit den Augen. Die Fragen nach den persönlichen Erwartungen für das große Comeback in Wimbledon quittierte die 40 Jahre alte Amerikanerin mit einem spöttischen Lächeln.
«Ich habe hohe Ziele, aber wir müssen sehen. Ich werde das nicht beantworten», kokettierte der Tennis-Superstar. Denn nichts anderes als die Jagd nach dem Grand-Slam-Titelrekord zählt für die 23-malige Siegerin bei ihrer Rückkehr nach einem Jahr Verletzungspause. 364 Tage nach dem bislang letzten Auftritt beim Rasen-Klassiker und dem Riss des Oberschenkelmuskels feiert Williams am Dienstag ihre mit Spannung erwartete Rückkehr – und beweist schon vorher ihre Ausnahmestellung über den Sport hinaus.
Williams, der Profi
Das Team Williams überlässt vor dem Auftakt gegen die Französin Harmony Tan nichts dem Zufall. Nach dem Warmspielen im Doppel mit Ons Jabeur fungiert die Tunesierin – in Wimbledon immerhin an Nummer drei gesetzt – auch als Trainingspartnerin. Dabei wird schnell klar, wer auf dem Platz den Ton angibt. Williams gibt kurze Kommandos, Jabeur spielt zu. Alles für den 24. Titel bei einem der vier größten Turniere, mit dem Williams die Bestmarke der Australierin Margaret Court einstellen würde. «Ich bin nicht zurückgetreten», betonte sie in Wimbledon. «Ich musste nur physisch und mental gesund werden. Und ich hatte ehrlich auch keine Pläne dafür. Ich wusste nur nicht, wann ich zurückkommen würde.»
Williams, die Gegnerin
Durch ihre lange Pause ist Williams inzwischen auf Platz 1204 der Weltrangliste abgerutscht – und wird noch von allen Kontrahentinnen geschätzt und gefürchtet. Nicht nur Angelique Kerber traut der ältesten Teilnehmerin im Feld «einiges» zu. Die Weltranglisten-Erste Iga Swiatek aus Polen berichtete sogar, dass sie «überwältigt» gewesen sei, als sie Williams kurz vor dem Turnierstart beim Training in Wimbledon sah und dabei nicht wusste, wie sie reagieren sollte.
Williams, die Engagierte
Immer wieder sprach Williams in ihrer Karriere wortmächtig zu gesellschaftlichen Themen, prangerte Rassismus an, forderte mehr Gleichberechtigung. Und so wurde die Amerikanerin auch zur umstrittenen Entscheidung des Supreme Courts der USA, der das liberale Abtreibungsrecht des Landes gekippt hatte, gefragt. Umso mehr überraschte, dass Williams auswich. Sie habe noch keine Gedanken, die sie bereit sei zu teilen, sagte sie. Eine knappe Stunde später kritisierte die 22 Jahre jüngere Coco Gauff das Urteil scharf.
Williams, die Geschäftsfrau
Auch in der sportlichen Auszeit war Williams beruflich nicht untätig. Das Unternehmen Serena Ventures, eine Beteiligungsgesellschaft, stellt vor allem Unternehmen, deren Gründer einen historisch benachteiligten Hintergrund haben, Kapital zur Verfügung. Sie sammelte binnen eines Jahres mehr als 100 Millionen US-Dollar ein. «Wenn du so eine Firma hast, musst du All-in gehen», erläuterte sie. «Das nimmt all meine zusätzliche Zeit in Anspruch. Und es macht Spaß. Ich bin für die kommenden Wochen nicht im Büro. Wenn man mir eine Mail schickt, bekommt man eine schöne Abwesenheitsnotiz.»
Wie lange diese aktiviert bleiben wird, hängt auch von Williams‘ körperlichem Zustand ab. Mindestens zwei Wochen sollen es aber sein. Auch wenn sie selbst den Titel nicht klar als Ziel ausrufen wollte, verdeutlichte dies ihr Trainer Eric Hechtman wenig später in der «New York Times»: «Sie ist ein Champion, nicht?», sagte er. «Und sie spielt Wimbledon aus einem Grund. Jeder andere, der in das Turnier startet, will es gewinnen. Und das ist unser Ziel.»
Williams, die Mutter
Und neben dem Rekord würde Williams dann auch etwas anderes Bemerkenswertes schaffen: In der 138-jährigen Geschichte von Wimbledon wäre sie die erst fünfte Mutter, die das Turnier gewinnt. Töchterchen Olympia ist inzwischen vier Jahre alt.