Macht und keine Mauschelei: Platini und Blatter unschuldig

Gleich nach dem Freispruch griffen Joseph Blatter und Michel Platini zu ihren Handys und simsten eifrig. Als alles vorbei war, fiel der einst mächtige FIFA-Boss Blatter seiner aufgewühlten Tochter in die Arme.

Nach sieben Jahren unter Betrugsverdacht sind die früheren Fußball-Spitzenfunktionäre vom höchsten Strafgericht der Schweiz vom Vorwurf des Betrugs und anderer Delikte freigesprochen worden. «Ich bin ein glücklicher Mann», sagte Blatter später draußen vor dem Gericht. Der ehemalige UEFA-Chef Platini sprach von einem «großen Sieg für mich».

Richterin Contu: «In dubio pro reo»

Richterin Joséphine Contu hielt ihre Version über die Absprachen zu einer Millionenzahlung für plausibler als die Zweifel, die die Staatsanwaltschaft daran hatte. «In dubio pro reo», sagte sie bei der Urteilsverkündung in Bellinzona, «im Zweifel für den Angeklagten – dies hat einen umfassenden Freispruch zur Folge.»

Blatter (86), bis 2016 Präsident des Fußball-Weltverbandes, und Platini (67), einst Präsident der Europäischen Fußball-Union, reagierten mit Erleichterung und Genugtuung. Klar sei damit, dass die Sperre, mit der die FIFA sie damals belegte, ungerechtfertigt war.

Beide waren siegesgewiss ins Gericht gekommen. Nach dem Freispruch posierte Blatter mit erhobenen Daumen und breitem Grinsen für die Kameras. «Ich bin ein ehrlicher Mann, ich bin sauber», sagte Blatter. Er glaube an Gott und die Schweizer Justiz, und werde nun in aller Ruhe nach Hause fahren. Platini gab sich dagegen kampfeslustig. Für ihn sei die Angelegenheit noch nicht durch, sagte er.

Laut Angeklagten ein «Gentlemen’s Agreement»

Worum ging es? Blatter hatte für Platini 2011 eine Zahlung von zwei Millionen Schweizer Franken (heute rund 2,02 Millionen Euro) aus den Kassen der FIFA durchgewunken. Es handele sich um ausstehende Zahlungen für Platinis Beratertätigkeit aus den Jahren 1998 bis 2002, und das ginge auf mündliche Absprachen zurück. Ein Gentlemen’s Agreement – Männerfreundschaft eben.

Die Richterin glaubte den beiden, auch, dass die Summe mit mündlichen Absprachen nicht übereinstimmte und das Geld erst Jahre später gezahlt wurde. Platini habe das Geld ja gar nicht nötig gehabt, sagt sie. Dagegen hatte sie Zweifel an der Version der Bundesanwaltschaft, die meinte, Blatter und Platini hätten den mündliche Vertrag zum Schein erfunden, um Platini zwei Millionen Franken zuzuschieben.

In Medien wurde damals spekuliert, dass Blatter sich mit dieser Zahlung von Platini Unterstützung bei der Wiederwahl zu einer neuen Amtszeit 2011 gegen einen Herausforderer sichern wollte. Im Gegenzug soll er laut Spekulationen Platini versprochen haben, ihn für 2015 als seinen Nachfolger aufzubauen.

Platini gibt sich weiter kampfeslustig

Intrigen, Machtspiele und Mauscheleien – für die FIFA ist das kein unbekanntes Terrain. Genau das wirft Platini seinen früheren Freunden ja auch heute vor. Die völlig korrekte Honorarnachzahlung von 2011 sei erst in dem Moment in Zweifel gezogen worden, als er zu seinem größten Karrieresprung ansetzen wollte: Der Bewerbung um das Amt des FIFA-Präsidenten. Die Ermittlungen verhinderten das. Mit Blick auf die FIFA-interne Untersuchung sagte Platini in Bellinzona nach dem Urteil: «Sie haben mich als Bestecher und Geldwäscher behandelt, das werde ich nicht auf sich beruhen lassen.» Was er plant, blieb vage.

Sein Anwalt zitierte Platini in einem Statement so: «In diesem schrecklichen Fall gibt es Schuldige, die in diesem Prozess nicht aufgetreten sind. Ich garantiere ihnen: Wir werden uns wiedersehen.» Er «werde nicht lockerlassen und auf der Suche nach der Wahrheit bis zum Ende gehen».

Die Staatsanwaltschaft will erst nach dem Studium der schriftlichen Urteilsbegründung entscheiden, wie sie weiter vorgeht. Sie könnte in Berufung gehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auch die FIFA ließ wissen, sie wolle zunächst den kompletten Spruch des Gerichts abwarten, ehe sie über weitere Schritte befinde.

Auch FIFA-Chef Infantino im Fokus

Profitiert von den Ermittlungen gegen Platini hat jedenfalls der heutige FIFA-Chef Gianni Infantino, der 2016 statt Platini Blatters Nachfolge antrat. Ob er sich selbst mit gezielten Schachzügen ins Amt katapultierte, könnte bald publik werden. Denn es läuft ein Strafverfahren, weil Infantino sich kurz nach seinem Amtsantritt mehrmals heimlich mit dem damaligen Schweizer Chefankläger Michael Lauber traf, der die FIFA-Ermittlungen führte.

Die Begegnungen in Hinterzimmern eines Luxushotels in Bern wurden nicht protokolliert, an den Inhalt kann sich angeblich niemand erinnern. Lauber stolperte über die «Schweizerhof-Affäre» und musste zurücktreten.

Platini hat vor einigen Monaten Anzeige gegen Infantino eingereicht. «Ist ihre Fußballkarriere vorbei?», fragte ein Journalist in Bellinzona nach dem Urteil. Platini zögerte lange. «Ich weiß es nicht», sagte der 67-Jährige dann, und: «Ich bin noch so jung.» Blatter war 2015 bei seiner Wiederwahl zum FIFA-Chef 79 Jahre alt.

Von Christiane Oelrich, dpa