Transfermarkt als «Marketingtool»: Der Hype um Wechsel

Flughafenhallen, Parkplätze oder Hintereingänge von Krankenhäusern sind gemeinhin nicht die spannendsten Fotomotive.

In Zeiten der Sommerpause, in denen Profifußballer vermehrt Test- statt Pflichtspiele bestreiten und von A nach B wechseln, sind diese Bilder in den Medien aber nahezu allgegenwärtig. Der Transfermarkt ist längst eines der zentralen Gesprächsthemen unter Fußballfans geworden. Ein Dauerbrenner auch in den sozialen Netzwerken.

«Man merkt schon, dass das Thema immer größer wird. Es werden mehr Gerüchte kreiert, es gibt Transfershows im Fernsehen, teilweise – und das finde ich schade – wird öffentlich mehr über Wechsel diskutiert als über das Spiel selbst», sagte Sportdirektor Sven Mislintat vom Bundesligisten VfB Stuttgart der Deutschen Presse-Agentur. «Ich habe das Gefühl, dass der Transfermarkt zunehmend auch als Marketingtool genutzt wird – ob von Vereins- oder Beraterseite aus. Es wird mitunter versucht, sich über Transfers zu profilieren.» Große Deals bringen schließlich auch besonders große Aufmerksamkeit mit sich.

Aber beileibe nicht nur Wechsel aus der internationalen Top-Kategorie wie der von Stürmerstar Sadio Mané vom FC Liverpool zum FC Bayern München vor wenigen Wochen werden im Internet minuziös begleitet – von der Ankunft des Spielers in der Stadt über seinen Medizincheck im Krankenhaus bis hin zur Unterschrift des neuen Vertrages auf dem Clubgelände. Oft sickern schon vorab viele Informationen durch. Man könnte meinen, die Branche werde immer geschwätziger. Womöglich reden die Leute aber gar nicht mehr – sondern einfach nur mehr Leute mit.

Mehr Player und mehr Geld

«Ich glaube, allgemein hat sich die Interessenslage gar nicht so sehr verändert», sagte PR-Experte Carsten Meyer, dessen Agentur «spirit Kommunikation» mehrere frühere und aktuelle Bundesliga-Spieler sowie -Trainer in Medienangelegenheiten berät, der dpa. «Es sind einfach mehr Player geworden und es ist mehr Geld im Spiel als früher.»

Auch einzelne Reporter etwa haben sich auf Transfers spezialisiert. Fabrizio Romano ist aktuell der wohl Bekannteste von ihnen. Der Italiener hat fast zehn Millionen Follower bei Twitter und versorgt diese täglich mit neuen Informationen. In heißen Transferphasen wie der jetzigen schlafe er nur um die drei Stunden pro Nacht und lade bis zu zwölf Mal am Tag sein Handy auf, erzählte der freie Journalist der «Sport Bild». Er habe Kontakt zu Managern und Beratern – und auch zu Spielern direkt. «Die Transfer-Industrie ist Teil meines Lebens», sagte Romano. «Und ich bin Teil der Transfer-Industrie.»

«Transfer-Industrie» boomt

Die boomt. Das spüren auch Internetportale wie «transfermarkt.de», wo allerlei Statistiken zu finden sind und in Foren diskutiert wird. Im August 2016 habe sie 180 Millionen, fünf Jahre später im gleichen Monat bereits 420 Millionen Seitenaufrufe verzeichnet, teilte die Redaktion auf dpa-Anfrage mit. Das Sommer-Transferfenster locke pro Monat bis zu 59 Millionen Besucher auf die Seite, die sich über Gerüchte und Spielerwechsel informieren und austauschen.

Auch dank der sozialen Netzwerke erreichen Fans inzwischen die Öffentlichkeit. Jeder von ihnen kann Bilder und Informationen um die Welt schicken – und fühlt sich dem großen Spiel, das er früher nur von außen verfolgt hat, so womöglich auch ein Stück weit zugehörig.

«Die Konkurrenzsituation ist durch neue Medien wie Twitter oder Instagram größer geworden», erklärte PR-Profi Meyer. «Gerüchte verbreiten sich schneller. Es ist schwieriger geworden, Dinge geheim zu halten.» Und schneller aufgegriffen werden sie auch. Seine Agentur sensibilisiere ihre Klienten dafür, «dass immer mehr geschrieben wird». Grundlegend geändert habe sich ihre Arbeit deshalb aber nicht.

«Es gibt insbesondere im Social-Media-Bereich immer mehr Quellen, seriöse und unseriöse», sagte VfB-Sportdirektor Mislintat. Was für seinen eigenen Job allerdings kein Nachteil sein muss. «Teilweise sind so viele Spielernamen im Umlauf, dass es Außenstehenden immer schwierig zu erkennen ist, an welchem Spieler ein Club wirklich interessiert ist.» Und bei wem es sich lohnt an die Fersen zu heften.

Von Christoph Lother, dpa