Marco Haller riss die Arme hoch, brüllte seine Freude heraus und bejubelte mit Teamkollege Nils Politt einen kaum für möglich gehaltenen Coup.
Der Österreicher aus dem deutschen Bora-hansgrohe-Team hat dem großen Favoriten Wout van Aert die Schau gestohlen und völlig überraschend die 25. Auflage der Hamburger Cyclassics gewonnen. Haller siegte im Sprint einer fünfköpfigen Spitzengruppe nach 204,7 Kilometer vor van Aert und dessen Landsmann Quinten Hermans und trat damit die Nachfolge des Italieners Elia Viviani an, der vor der zweimaligen Absage des Rennens während der Corona-Pandemie von 2017 bis 2019 drei Mal in der Hansestadt triumphiert hatte.
Die deutschen Fahrer spielten bei dem prominent besetzten WorldTour-Rennen bei der Entscheidung auf der Mönckebergstraße keine Rolle. Bester Deutscher war Phil Bauhaus zehn Sekunden zurück auf Platz sieben, Max Kanter wurde Neunter. Für den letzten Heimsieg hatte 2015 Sprinter André Greipel gesorgt.
Erster Sieg für Bora in Hamburg
Immerhin durfte das Bora-Team erstmals in der Hansestadt jubeln. «Ein Traum wird wahr», sagte Haller: «Wout van Aert zu schlagen, ist eine Sache, aber nach über 200 Kilometern gute Beine zu haben, macht mich sehr stolz. Ich habe erst einen Meter vor dem Ziel daran geglaubt, dass ich Wout schlagen kann.» Damit hatte der Belgier nicht gerechnet: «Marco hat mich überrascht. Das war etwas enttäuschend.»
Auch Hallers Teamkollege Politt war überglücklich. «Ein superschöner Tag. Ein sehr emotionaler Sieg auch für mich. In Hamburg zu gewinnen, ist ein ganz großes Ding. Wir waren nicht die Favoriten, hatten keinen Sprinter dabei. Deshalb mussten wir das Rennen schwer machen», sagte der deutsche Meister.
Die Entscheidung fiel dieses Mal nicht im Massensprint, was vor allem an van Aert lag. Der dreimalige Tour-Etappensieger und Gewinner des Grünen Trikots hatte bei der dritten Überquerung des 15 Prozent steilen und 800 Meter langen Waseberg seine Klasse gezeigt. Wie bei seinen giftigen Attacken bei der Tour sorgte der Belgier schnell für eine weitere Selektion des Feldes. Eine erste hatte es durch einen schweren Sturz gut 30 Kilometer vor dem Ziel schon gegeben, als mehrere Fahrer zu Fall kommen. Dadurch wurde auch Sprintstar und Europameister Fabio Jakobsen zurückgeworfen.
Das Bora-Team, der einzige deutsche WorldTour-Rennstall im Feld, spielte auch ohne echten Sprinter eine gute Rolle. So hatten sich Haller und Patrick Konrad ans Hinterrad von van Aert geheftet und im Finale ihre Karten clever ausgespielt. Politt hatte beim letzten Anstieg nicht mehr die Beine, um mitzugehen.
Buchmann startet bei Deutschland Tour
Immerhin war es für Politt ein gutes Warm-up für die am Mittwoch beginnende Deutschland Tour, die er im vergangenen Jahr gewonnen hatte. Dort dürfte er auch seinen deutschen Landsmann Emanuel Buchmann wiedertreffen, der nach seinem krankheitsbedingten Ausfall bei der Vuelta nun beim heimischen Rennen starten soll.
«Er hat sich super auf die Vuelta vorbereitet, mit Höhentraining. Wenn es irgendwie funktioniert und er gesund ist, würden wir es gerne für die Deutschland Tour nutzen», sagte Sportdirektor Rolf Aldag der Deutschen Presse-Agentur.