Ratlos und enttäuscht zogen die Bayern-Stars vor die Südkurve und klatschten auf ihrem Weg beim überragenden Gladbacher Yann Sommer ab.
Der Torwart der Borussia hatte den Münchner Tor-Express in seinem Rekordspiel mit etlichen Glanzparaden in 96 Minuten schier zur Verzweiflung getrieben – und dem Rest der Fußball-Bundesliga wenigstens wieder ein wenig Hoffnung gemacht. Die Gäste aus Mönchengladbach erkämpften am Samstagabend im Topspiel ein 1:1 (1:0) in der Allianz Arena.
Sommer «war heute der beste Mann auf dem Platz»
«Wir kennen das schon, dass der Yann Sommer gegen uns immer sehr gut steht», sagte Joshua Kimmich bei Sky. «Er war heute der beste Mann auf dem Platz.» Die Leistung der Bayern sei trotz des Ergebnisses aber «fast besser» gewesen als bei den vorausgegangenen Spielen. Marcus Thuram (43.) traf nach einem Blackout von Bayern-Verteidiger Dayot Upamecano zur überraschenden Gladbacher Pausenführung. «Sehr, sehr unglücklich», sagte Kimmich. «Wir hatten die absolute Kontrolle.»
Der zum Saisonstart so übermächtige Münchner Tor-und-Sieg-Zug brauchte diesmal bis zur 83. Minute, ehe der starke Leroy Sané mit einem platzierten Linksschuss auf Vorlage von Jamal Musiala traf. Mit zehn Punkten behaupteten die Bayern die Tabellenführung vor Union Berlin, das gleichauf liegt. Gladbach hat gute acht Punkte.
75.000 Zuschauer in der ausverkauften Allianz Arena trauten lange ihren Augen nicht. Die Bayern schienen sich selbst zu schlagen – hinten durch einen kapitalen Fehler von Upamecano beim Gegentor. Und vorne stockte die 15-Tore-Maschine der ersten drei Spieltage, der Ball fand einfach nicht den Weg ins Tor – bis Sané zuschlug.
Sommer hielt Weltklasse
«Du brauchst hier in München einen Torwart, der mal auch die Unhaltbaren hält», sagte Gladbachs Sportdirektor Roland Virkus. «Bayern München ist das Maß aller Dinge, aber man hat gesehen, dass man sie ärgern kann.» Sommer hielt in seinem 266. Spiel, das ihn zum Schweizer Rekordspieler in der Bundesliga machte, Weltklasse.
Ein Höhepunkt war die 61. Minute, als Stürmerstar Sadio Mané gleich zweimal freistehend am unbezwingbar wirkenden Sommer scheiterte. Vor der Pause waren dem Senegalesen zudem gleich zwei Abseitstore durch Videobeweis aberkannt worden (34./39. Minute). Es war fast surreal, wie Daniel Farkes herzhaft kämpfende Gladbacher den Sturmlauf der Bayern zunächst standhielten.
Vor dem Spiel wurde viel darüber gesprochen, ob die Gladbacher wegen ihrer guten jüngsten Bilanz gegen den Rekordmeister inklusive der 5:0-Pokalgala des Vorjahres ein «Angstgegner» der Bayern seien. «Die Antwort gibt es am Samstagabend», hatte Bayern-Coach Julian Nagelsmann gesagt und bekundet: «Unsere Spieler haben vor keinem Gegner Angst, auch nicht vor Gladbach.»
«Katastrophaler Fehler»
So spielten sie auch – aber dann patzte Abwehrhüne Upamecano folgenschwer. Der 23 Jahre alte Franzose, dem Nagelsmann in der Abwehr den Vorzug vor Neuzugang Matthijs de Ligt gegeben hatte, hatte einen jenen Aussetzer, die in der vergangenen Saison Zweifel an ihm gesät hatten. Nach einem Einwurf schlug Gladbachs Christoph Kramer den Ball aus der eigenen Hälfte hoch und lang nach vorne. Upamecano wollte ihn locker klären, schlug am Ball vorbei – und Thuram stürmte unwiderstehlich Richtung Bayern-Tor. Der Franzose überwand auch den hilflosen Nationaltorhüter Manuel Neuer. «Katastrophaler Fehler», urteilte Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus als Sky-Experte.
Die Szene stellte das Spiel auf den Kopf und bedeutete den ersten Bayern-Rückstand der Saison. Dabei hätten sie längst führen müssen. Es gab eine Art Dauer-Belagerung der Gladbacher Hälfte. Doch Sommer hielt von der ersten Aktion bei einem Kopfball von Mané an prächtig.
Nach der Pause stürmten die Bayern in Richtung ihrer Fans, die sich zunächst mit einer sehenswerten Choreographie und später dann auch mit viel rauchender Pyrotechnik für «50 Jahre Südkurve» feierten. Es gab Chance auf Chance und Schuss auf Schuss – und zig Sommer-Paraden. Nagelsmann zog alle Joker, brachte Serge Gnabry und den noch leicht angeschlagenen Musiala, der prompt das Sané-Tor vorbereitete.