Clown und Champ: Kyrgios entzaubert Medwedew

Mal genial, mal gaga – aber immer unterhaltsam: Australiens Tennisstar Nick Kyrgios hat bei seinem spektakulären Achtelfinalsieg bei den US Open gegen den entthronten Titelverteidiger Daniil Medwedew erneut seine vielen Facetten gezeigt.

Sportlich dürfte der Wimbledon-Finalist spätestens jetzt zum Favoritenkreis zählen – in Sachen Entertainment macht dem 27-Jährigen ohnehin niemand etwas vor. Kyrgios lieferte auch beim 7:6 (13:11), 3:6, 6:3, und 6:2 im Arthur Ashe Stadium gegen den russischen Weltranglisten-Ersten eine große Show ab. Er spielte mit dem Publikum, motzte mit seiner Box und der Schiedsrichterin, schlug den Schläger auf den Boden – und sorgte im dritten Satz für eine der kuriosesten Szenen der Turniergeschichte.

«Nun, das war… seltsam», twitterten die Veranstalter

Nach einer verunglückten Abwehraktion von Medwedew flog der Ball hoch in die Luft, er wäre klar auf der Seite des Russen aufgekommen. Aber Kyrgios sprintete aus Spaß hinters Netz und nahm den Ball feixend volley, eher dieser den Boden berührte. Weil dies nicht den Regeln entsprach, erhielt Medwedew den Punkt. «Nun, das war… seltsam», twitterten die Veranstalter der US Open und teilten ein vielgeklicktes Video der Szene.

Jetzt sehe er «wie ein Idiot aus», sagte Kyrgios hinterher lächelnd im Interview auf dem Platz, das von Ex-Profi Patrick McEnroe geführt wurde. Dieser beruhigte ihn: Sein Bruder John, siebenmaliger Grand-Slam-Turniersieger, habe «auch keine Ahnung» gehabt, dass die Aktion nicht regelkonform gewesen sei.

Kyrgios: «Ich will den ganze Weg gehen»

Sportlich zeigte Kyrgios ein Auf und Ab. Im ersten Satz hochkonzentriert und im Tie Break mit zwei herausragenden Stops nervenstark, im zweiten Satz undiszipliniert und fahrig. Doch der Weltranglisten-25. fing sich schnell wieder und spielte sich ab Mitte des dritten Satzes in einen Rausch. Medwedew wurde zum Ende des Matches hin regelrecht vorgeführt.

Damit setzt sich der Titelverteidiger-Fluch beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres fort. Seit Roger Federer 2008 konnte kein männlicher Tennis-Profi im Jahr nach einem Titelgewinn erneut triumphieren. Medwedew wird zudem durch das frühe Aus seine Führung in der Weltrangliste nach dem Event verlieren. Kyrgios trifft im Viertelfinale auf den Russen Karen Chatschanow.

«Ich will den ganze Weg gehen», sagte Kyrgios, der immer zwischen Genie und Wahnsinn zu wandeln scheint. Bei den US Open wurde er auch zu einer Geldstrafe von 7500 US-Dollar verurteilt, weil er erbost auf dem Boden gespuckt hatte. Doch er will an seinem Rüpel-Image arbeiten. Er trainiere härter, gehe früher ins Bett, habe eine tolle Freundin. «Ich habe hier nie gut gespielt und bin froh, das ich New York mein Talent zeigen konnte», sagte er. Die Fans jubelten bei diesem Satz, sie fühlten sich von Nick Kyrgios an diesem Abend bestens unterhalten.

Von Jörg Soldwisch, dpa