Demirbay motzt wie Kroos: Bayers Dauersuche nach dem Glück

Kerem Demirbay war fast so sauer wie Toni Kroos. «Ihr habt so lange Zeit, ihr müsst die Fragen nicht negativ stellen», raunzte Bayer Leverkusens Mittelfeldrenner fast wortgleich wie der Ex-Weltmeister in dessen legendärem TV-Interview nach dem Champions-League-Sieg mit Real Madrid.

Demirbay hatte gerade nicht zum fünften Mal die Königsklasse gewonnen, sondern mit der Werkself in der Bundesliga 2:2 bei Hertha BSC gespielt. Und doch wünschte er sich eine moderate Sichtweise auf Bayers Ergebniskrise.

«Wir sind in einer schweren Situation, wir stecken ganz tief drin, wir werden aber da raus kommen. Glaubt mir, wir werden in ein paar Spielen wahrscheinlich hier stehen und sagen, «jetzt Richtung Champions League oder was auch immer»», meinte Demirbay im festen Glauben an einen sportlichen Aufschwung – bestmöglich schon im kommenden Champions-League-Duell mit Atlético Madrid.

Ein Spiel mit Achterbahn-Charakter

Trotzig war die Wortwahl bei Leverkusens wieder einmal enttäuschten Fußball-Profis, denen Patrik Schick mit seinem Ausgleich (79.) immerhin eine weitere Niederlage erspart hatte. Das Remis in Berlin war zu wenig, um eine Trendwende herbeizureden. In seiner Dramaturgie war es immerhin genug, um den Fokus auf das Positive zu richten, meinte Demirbay, der mit seinem Traumfreistoß (49.) die Führung besorgt hatten.

Trainer Gerardo Seoane muss sich auf Abstiegsplatz 17 und mit mauen vier Punkten erstmal weiter auf die Treueversprechen der Club-Bosse verlassen. Dennoch wollte er nach einem Spiel mit Achterbahn-Charakter unbedingt das Gute in den Blickpunkt rücken. «Viel aktiver» habe er sein Team erlebt, eine «klare Leistungssteigerung» gesehen, gerade nach den Rückschlägen durch die Gegentore von Suat Serdar (55.) und Marco Richter (79.). Aber dann blieb doch nur das Fazit: «Wir sind enttäuscht, wir wollten einen Sieg, den Punkt nehmen wir mit.»

Hradecky «Wir sind in diesem Scheiß zusammen»

Stellt sich für Leverkusen nur die Frage, wohin mit? Hertha BSC ist sportlich wie atmosphärisch im Aufwind, aber nicht die Kategorie, mit der man sich auf höchsten Niveau messen will. Entsprechend energisch formulierte Torwart Lukas Hradecky die bevorstehenden Aufgaben. «Das sind die Situationen, in denen man Männer macht. Jetzt müssen wir alle zeigen, dass wir Männer sind», sagte der Finne in reichlich altmodischen Gender-Duktus. Eine Trainerdebatte hält der Schlussmann für unbegründet. «Wir sind in diesem Scheiß zusammen.»

Die Frage nach dem Zusammenhalt stellte sich noch auf andere Weise. Den Fans zugeworfene Trikots, so hatten es Beobachter notiert, flogen nach dem Schlusspfiff wieder zurück auf die Tartanbahn des Olympiastadions. Aber auch der maximal mögliche Liebesentzug der Fans konnte den optisch fein gescheitelten Seoane zumindest äußerlich nicht so recht erschüttern.

«Mitbekommen habe ich es nicht. Dass die Fans enttäuscht sind, ist verständlich, das sind wir auch», sagte der Schweizer. «Wie ein Zuschauer seine Enttäuschung zeigt ist abhängig, das muss ich nicht bewerten», meinte Seoane. Hradecky hatte eine Idee zur Deeskalation. «Dann gebe ich das Trikot einem Kind.»

Von Arne Richter und Lena Lachnit, dpa