Mit zittrigen Beinen gratulierte Anne Haug ihren Bezwingerinnen, danach sackte die 39-Jährige im Ziel von Kailua-Kona völlig erschöpft zusammen. 1090 Tage nach ihrem WM-Triumph auf Hawaii musste sie sich diesmal geschlagen geben.
Die Bayreutherin belegte im Mekka des Triathlons wie zuvor 2018 und auch bei der Nachhol-WM im Mai in St. George den dritten Platz. Zu stark waren die amerikanische Sensationssiegerin Chelsea Sodaro bei deren WM-Debüt und die Britin Lucy Charles-Barclay, die wie 2017, 2018 und 2019 Vizeweltmeisterin über 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen wurde.
«Es war alles, was drin war», betonte Haug. «Wenn man alles gegeben hat, ist man mit allem zufrieden und ein Podestplatz ist immer genial», sagte sie dem ZDF. Wie vor drei Jahren wurde Laura Philipp Vierte, gebremst von einer Zeitstrafe. Aber auch ohne das Handicap wäre sie an Sodaro an diesem Tag wohl nicht herangekommen. Die 33-Jährige zeigte bei ihrem WM-Debüt und ihrem erst zweiten Ironman gut anderthalb Jahre nach der Geburt ihrer Tochter eine famose Vorstellung.
Früher Start vom Pier
Mit hawaiianischem und US-Pathos ging es los am frühen Morgen am Pier von Kailua-Kona, zum ersten Mal in der bis 1978 zurückreichenden Geschichte des Ironman gehörte die Bühne bei den Profis nur den Frauen. Weil nach den Hawaii-Ausfällen 2020 und 2021 doppelt so viele Altersklassenathleten (rund 5000) dabei waren, wurden die Rennen gesplittet. Die Männer sind am Samstag dran.
Das hochkarätig besetzte Feld der Frauen hielt, was die Namen versprachen. Als traditionell die kleine Kanone das Rennen freigab, durchwühlten die rund 50 Profis das klare Pazifik-Wasser. Die ehemalige Profi-Schwimmerin Charles-Barclay war in 50:57 Minuten außer Reichweite. Haug und Philipp hatten rund sieben Minuten Rückstand nach der ersten Disziplin, gleichauf mit der fünfmaligen Weltmeisterin aus der Schweiz, Daniela Ryf.
Eine Zeitstrafe für Philipp, Ironman-Weltbestzeit-Inhaberin, sprengte die kleine Gruppe. Dem Vernehmen nach war Windschattenfahren der Grund, bestätigt wurde das zunächst nicht. «Ein mittleres Desaster», kommentierte ihr Ehemann und Trainer Philipp Seipp im Livestream des ZDF: «Ganz weit vorne zu sein, ist damit in weite Ferne gerückt. Jetzt eine Jetzt-erst-recht-Mentalität zu haben, wäre für sie vielleicht das Beste.»
Haug: «Es war brutal auf der Laufstrecke»
Philipp, die in Hamburg im Juni in 8:18:20 Stunden schneller als je eine Frau vor ihr einen Ironman absolviert hatte, machte das Beste draus, zog ihr Tempo auf dem Rad durch, und kam mit gut zehn Minuten Rückstand auf die Spitze in die Wechselzone. Haug wollte den Kontakt auf dem legendären Quenn-K-Highway zur Spitze nicht zu groß werden lassen und investierte wohl etwas zu viel für den finalen Angriff beim Marathon. «Ich habe so viel Körner auf dem Rad gelassen. Es war brutal auf der Laufstrecke», sagte die nur 1,64 Meter große und 51 Kilogramm schwere Haug.
Dennoch überholte sie die zwischenzeitlich führende Ryf leichtfüßig, nachdem sie Wasser an einer Verpflegungsstation von keinem Geringeren als Jan Frodeno bekommen hatte. Der Dreifach-Weltmeister, der verletzt nicht starten kann, verdiente sich als freiwilliger Helfer.
Dann rannte Haug an Fenella Langridge vorbei, lag nun schon auf Platz drei. Der wirklich knallharte Teil der Laufstrecke würde aber erst noch kommen mit dem Energy Lab – brütend heiß und keine Zuschauer weit und breit. Nur Charles-Barclay und die mittlerweile führende Sodaro waren vor ihr. Die Amerikanerin war beim Schwimmen vor Haug an Land gekommen, war auch vor Haug vom Rad gestiegen und hatte beim Marathon direkt ein extrem hohes Tempo angeschlagen.
Viele fragten sich, ob sie das durchhalten könnte. Zumal sie zum ersten Mal auf Hawaii startete und nach ihrem Ironman-Debüt in Hamburg, als sie hinter Philipp Zweite wurde, erst zum zweiten Mal über diese Distanz antrat. Sie hielt ihr Tempo, und auch Charles-Barclay konnte Haug auf Distanz halten bei ihrem vierten zweiten Platz auf Hawaii nacheinander. «Ich hab‘ mich echt nicht so knusper gefühlt», sagte Haug. Dahinter zeigte Philipp aber auch noch, was möglich gewesen wäre ohne die Zeitstrafe, als sie wie vor drei Jahren bei ihrem Hawaii-Debüt noch auf Platz vier rannte.