Trotz der holprigen Generalprobe gegen Rumänien reisten Deutschlands Handball-Frauen mit großer Lust und Vorfreude zur Europameisterschaft. Bei der an diesem Freitag beginnenden Endrunde in Slowenien, Nordmazedonien und Montenegro will die DHB-Auswahl endlich den internationalen Durchbruch schaffen und erstmals seit dem vierten EM-Platz 2008 wieder im Medaillenkampf eines großen Turniers mitmischen.
«Wir haben in den vergangenen Jahren schon einige gute Ergebnisse erzielt. Das Ziel ist, eins draufzusetzen und mal das Halbfinale zu erreichen», sagte Co-Kapitänin Emily Bölk der Deutschen Presse-Agentur vor dem Abflug in den Vorrundenort Podgorica. Und Bundestrainer Markus Gaugisch, der das Amt erst im April dieses Jahres von Henk Groener übernahm, bekräftigte vor seinem EM-Debüt: «Die Mannschaft ist maximal motiviert. Natürlich wollen wir diesen Schritt, der in den vergangenen Jahren nur knapp nicht geschafft wurde, gehen. Aber es gibt keine Garantien.»
«Der Erfolgshunger ist sehr groß»
Insgeheim hoffen der Coach und seine Schützlinge sogar auf die erste deutsche Medaille bei einem Großereignis seit WM-Bronze vor 15 Jahren. «Das ist der große Traum. Der Erfolgshunger ist sehr groß», sagte Bölk. Der Weg dorthin wird jedoch schwer.
Zum Auftakt der Vorrunde trifft die deutsche Mannschaft am Samstag auf Polen. Danach geht es in der Gruppe D gegen Co-Gastgeber Montenegro und zum Abschluss gegen den WM-Vierten Spanien. In der Hauptrunde, die die besten drei Teams jeder Gruppe erreichen, sind Olympiasieger Frankreich, Ex-Weltmeister Niederlande, Nordmazedonien und Rumänien die potenziellen Gegner im Kampf um die ersten beiden Plätze.
Gaugisch, der auf einige Leistungsträgerinnen wie die verletzten Alicia Stolle, Amelie Berger und Antje Döll verzichten muss, ist dennoch zuversichtlich. «Es wird entscheidend sein, in den heißen Momenten kühlen Kopf zu bewahren, ohne das Herz zu verlieren. Da helfen die internationalen Erfahrungen, über die viele Spielerinnen jetzt schon verfügen», sagte der 48-Jährige.
Team geht selbstbewusst in das Turnier
Immerhin sechs der 16 Spielerinnen aus dem EM-Aufgebot spielen im Ausland. Hinzu kommt ein Trio vom deutschen Meister und European-League-Sieger SG BBM Bietigheim, das Woche für Woche in der Champions League gefordert ist. «Wir haben Spielerinnen, die Stück für Stück vorangekommen sind und müssen keine Angst haben», sagte Gaugisch. Wichtig sei aus seiner Sicht, «dass jede Spielerin, die auf der Platte steht, weiß, was zu tun ist».
Auch die Mannschaft geht die Aufgabe selbstbewusst an. «Ich denke, wir sind gut vorbereitet. Alle sind heiß auf das erste Spiel», sagte Co-Kapitänin Alina Grijseels. Beim 29:29 gegen Rumänien im letzten EM-Test am Mittwochabend präsentierte sich die Rückraumspielerin von Borussia Dortmund mit acht Toren sehr treffsicher.
Debatte um Vorwürfe überschattete Vorbereitung
Ein gutes sportliches Abschneiden bei der EM würde auch dem Deutschen Handball-Bund gut tun. Der Verband, der einige Maßnahmen zur stärkeren Förderung des Frauen-Handballs auf den Weg gebracht hat, war zuletzt durch sein in der Vergangenheit zögerliches Verhalten beim Thema psychische Gewalt in die Kritik geraten.
Die Debatte um die schweren Vorwürfe gegen den früheren Bundesliga- und DHB-Nachwuchstrainer André Fuhr hatte teilweise auch die EM-Vorbereitung der Nationalmannschaft überlagert. «Es ist wichtig, dass die Vereine, die Liga und der Verband jetzt eine intensive Aufarbeitung verfolgen und schauen, welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt. Ich versuche als Athletensprecherin, meinen Input zu geben», sagte Bölk zu der Causa.
In den kommenden Tagen richten sie und ihre Teamkolleginnen den Fokus aber ausschließlich auf das EM-Turnier. «Ich hoffe, dass die Mannschaft 100 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit abruft», sagte Gaugisch. «Wir müssen jetzt schauen, dass wir gut regenerieren und dann sind wir bereit für Samstag. Die Vorfreude ist Mega!»