Verstappens Egotrip sorgt für Zoff bei Red Bull

Mit seinem Egotrip in São Paulo stahl Weltmeister Max Verstappen sogar Formel-1-Premierensieger George Russell die Show. Seine dickköpfige Machtdemonstration mit der verweigerten Teamorder erschütterte Red Bull und demütigte seinen zuverlässigen Adjutanten Sergio Perez.

«Das zeigt, wer er wirklich ist», sagte der gekränkte Mexikaner über den Alleingang des zweimaligen Weltmeisters beim vorletzten Saisonrennen. Verstappen ist wie jeder Formel-1-Fahrer in erster Linie eine Ich-AG. Der Frontmann von Red Bull beschädigte mit seiner verweigerten Hilfeleistung für Perez aber die Binnenkultur des Rennstalls. Denn aus sportlicher Sicht ging es für den Niederländer am Sonntag um rein gar nichts mehr. «Nach allem, was ich für ihn getan habe, bin ich natürlich enttäuscht», sagte der ratlose Perez, der noch um die Vize-Weltmeisterschaft kämpft. «Ich habe in der Vergangenheit eine Menge für ihn getan, das ist kein Geheimnis.»

Verstappen wird im Teamfunk deutlich

Verstappen revanchierte sich auf seine Art. In der Schlussphase von São Paulo überholte er Perez, um die vorausfahrenden Fernando Alonso im Alpine und Charles Leclerc im Ferrari noch einholen zu können. Perez wurde da schon von der Red-Bull-Box informiert, dass er den Platz von Verstappen zurückbekommen würde, wenn der Plan nicht aufgehen sollte.

Auf der letzten Runde bei Russells erstem Karriereerfolg im Mercedes war es so weit. Verstappen bekam als Sechster die Ansage, den hinter sich fahrenden Perez vorbeizulassen. «Ich habe euch schon beim letzten Mal gesagt, dass ihr das nicht noch einmal von mir verlangen sollt, okay?», ätzte Verstappen auf den letzten Metern über den Teamfunk. «Sind wir uns darüber im Klaren? Ich habe meine Gründe genannt und ich stehe dazu.»

Verstappen ist der Mittelpunkt des Formel-1-Universums von Red Bull. Bis 2028 soll er Sebastian Vettels früheren Rennstall zu Erfolgen führen. Was gut für Verstappen ist, bringt in der Regel auch dem Team Erfolg. Sein trotziger Basta-Auftritt dürfte aber kurzsichtig gewesen sein. Ein funktionierendes Team braucht auch Berechenbarkeit.

Schnelles Krisentreffen

«Ich verstehe natürlich, dass ‚Checo‘ enttäuscht ist. Aber ich habe auch meine Gründe genannt, warum ich es nicht getan habe, wegen etwas, das in der Vergangenheit passiert ist», sagte Verstappen, ohne konkret darauf einzugehen, warum er so nachtragend sei.

Ein Krisentreffen mit dem peinlich berührten Teamchef Christian Horner und dem nicht weniger peinlich berührten Motorsportberater Helmut Marko wurde sofort einberufen. «Wir haben uns alle zusammengesetzt und darüber gesprochen», sagte Verstappen vor dem Saisonfinale am kommenden Sonntag in der Wüste. «Wir fahren nach Abu Dhabi, sie sind punktgleich, und wenn er dort die Hilfe braucht, um vor Charles ins Ziel zu kommen, werde ich ihm helfen.»

Verstappens Einsicht kommt spät. Vielleicht sogar zu spät. Leclerc und Perez liegen mit jeweils 290 Zählern gleichauf auf Rang zwei. «Max Verstappen gerät unter Beschuss», schrieb die «Daily Mail» in England. Die «Kronen Zeitung» diagnostizierte: «Bei Red Bull kracht’s gewaltig!»

Ihren Star wollten Horner und Marko öffentlich nicht anzählen. «Die Fahrer haben das hinter verschlossenen Türen diskutiert. Unser Ziel für Abu Dhabi ist, dass ‚Checo‘ Platz zwei bekommt. Max wird alles dafür tun, das zu erreichen», kündigte Horner an, nachdem er sich über Funk noch bei Perez für Verstappens Sturkopf-Fahrt entschuldigt hatte.

Als wahrscheinlicher Beweggrund gilt ein Vorfall in Monaco in diesem Jahr. Perez hatte kurz vor dem Ende der Qualifikation einen Crash, wodurch er Verstappen die Chance auf die Pole Position raubte. Das Rennen gewann dann Perez, Verstappen wurde Dritter.

Verstappen verpasst Chance

Verstappen hätte nun in unbedrängter Lage ein Zeichen setzen können. Ein Zeichen von Führungsstärke und Anerkennung für den für seine Helferdienste bezahlten Perez. Selbst ein Ayrton Senna zeigte sich erkenntlich. 1991 ließ der Brasilianer in Japan nach seinem bereits feststehenden dritten WM-Titel Gerhard Berger auf der Schlussrunde noch überholen und dankte ihm so für die Unterstützung.

So weit kann man gehen, muss man aber nicht. Es reicht schon, wenn man sich an teaminterne Absprachen hält und dann seinen Platz wieder tauscht. So wie zum Beispiel Lewis Hamilton und sein damals neuer Mercedes-Stallrivale Valtteri Bottas das 2017 in Ungarn taten. Dass sich der Engländer damals an die Teamorder hielt, brachte ihm beim Finnen Respekt und Treuepunkte ein.

Perez hat sich bei Red Bull ebenfalls als Spitzenadjutant verdient gemacht. Das Formel-1-Finale 2021 in Abu Dhabi ist ein Paradebeispiel, als der Mexikaner mit seiner erbitterten Gegenwehr Hamilton einbremste und entscheidend mit dafür sorgte, dass Verstappen erstmals Weltmeister wurde. «Du bist ein absolutes Tier», lobte der Niederländer damals seinen selbstlosen Teamkollegen.

Martin Moravec, dpa