Oranje verpasst vorzeitigen Achtelfinal-Einzug

Louis van Gaal zeigte sich trotzdem noch prächtig gelaunt. Als sein Trainerkollege Gustavo Alfaro sich nach dem 1:1 (1:0) der Niederlande gegen Ecuador stolz fotografieren ließ, stellte sich der Bondscoach einfach grinsend daneben. Als wollte er sagen: Seht her, alles in Ordnung. Das war es aber nicht.

Innerlich sah es in dem 71-Jährigen deutlich anders aus. «Das war nicht die Leistung, die ich erwartet habe. Wir haben kein gutes Spiel gemacht. Wir waren gut in der Verteidigung, aber nicht gut, wenn wir in Ballbesitz sind. Das ist unser Problem», sagte van Gaal und meinte mit Blick auf sein großes Ziel: «Wenn du Weltmeister werden willst, muss das besser werden. Die Qualität der kommenden Gegner ist deutlich höher.»

Oranje begann an diesem milden Abend im Chalifa International Stadion durch das schnelle Tor von Cody Gakpo (6. Minute) – es war das schnellste des Turniers – grandios, lieferte in den folgenden gut 90 Minuten aber eine erschreckend harmlose Darbietung ab. «Wir haben jeden Zweikampf verloren, jeden zweiten Ball. Ecuador hätte gewinnen können, aber mehr als ein Schuss an die Latte hatten sie nicht. Das Tor haben wir ihnen geschenkt», meinte van Gaal. Énner Valencia (49.) hatte zu Beginn der zweiten Halbzeit den Ausgleich erzielt, der bis zum Ende immer verdienter wurde.

Den vorzeitigen Achtelfinal-Einzug hat die Niederlande zwar verpasst, mit dem Ergebnis kann man dennoch zufrieden sein. Schließlich genügt ein Sieg am Dienstag gegen den bereits ausgeschiedenen Gastgeber Katar, um als Gruppensieger in die K.o.-Runde einzuziehen. Viel Zeit bleibt van Gaal trotzdem nicht, seiner Mannschaft einen gepflegteren Fußball einzuimpfen. Zumal durch das Ergebnis Unruhe aufkommen könnte. Eine Elftal, die besser verteidigen als angreifen kann – das ist einfach kein holländischer Fußball.

Valencia mit sechstem WM-Tor in Serie für Ecuador

Deutlich zufriedener war man bei Ecuador. Und besonders stolz auf Valencia. Der Kapitän sorgte mit seinem sechsten WM-Tor in Serie für ein Kunststück, das vor ihm nur drei anderen Spielern gelungen war. «Valencia arbeitet so hart und wir sind so froh, so einen Kapitän zu haben», sagte Ecuadors Nationalcoach Gustavo Alfaro. In der 90. Minute musste Valencia allerdings verletzt mit einer Trage vom Platz gebracht werden.

Mit vier Punkten aus zwei Partien hat Ecuador ebenso wie die Niederlande vor dem letzten Spieltag gute Chancen auf die K.o.-Runde, auch der Senegal darf mit drei Zählern in der Gruppe A noch hoffen. «Wir sind weiter ungeschlagen und haben es weiter in der eigenen Hand», sagte van Dijk. Gastgeber Katar ist dagegen vorzeitig ausgeschieden.

Depay zunächst auf der Bank, Gakpo glänzt

Gakpo, der im Vergleich zum 2:0 gegen den Senegal etwas offensiver spielte, war erst der zweite niederländische Spieler, dem in seinen ersten beiden WM-Spielen ein Tor gelang. Der erste war – natürlich – Depay 2014 in Brasilien. Für Ecuador war es das erste Gegentor nach beachtlichen 701 Minuten. Doch der weitere Verlauf des Spiels gefiel dem Disziplinfanatiker van Gaal keineswegs.

Ecuador bekam immer mehr Zugriff, wurde selbstbewusster. In vielen Offensivaktionen, die vor allem über die Flügel erfolgten, fehlte nur der letzte Pass. Van Gaal reagierte, brachte Depay für den wirkungslosen Steven Bergwijn. Doch das Tor schoss Ecuador. Ein Schuss von Pervoin Estupiñán wehrte Andries Noppert direkt vor die Füße von Valencia ab, der bereits sein drittes Tor des Turniers erzielte. Für den 33-Jährigen war es sein sechstes WM-Tor nacheinander ohne, dass ein anderer für Ecuador getroffen hatte. Das war laut Datendienstleister Opta zuvor nur Portugals Eusebio 1966, Italiens Paolo Rossi 1982 und dem Russen Oleg Salenko 1994 gelungen. 

In der Heimat dürfte Valencia damit eine massive Party ausgelöst haben. Das Bildungsministerium des Landes hatte eigens für das Spiel alle Schulen und Universitäten geschlossen, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. Und es wurde fast noch besser. Gonzalo Plata (59.) traf mit seinem Schlenzer die Latte, zur Führung fehlten nur Zentimeter. Doch auch das Remis feierten die Ecuadorianer im Stadion ausgelassen.

Tom Bachmann, Carsten Lappe, Miriam Schmidt und Christoph Lother, dpa