Van Gaal tanzt: Oranje abgezockt und titelreif

Diesen Moment wollte Louis van Gaal unbedingt für die Nachwelt festhalten. So elegant wie es mit seinen 71 Jahren eben geht, tanzte der Bondscoach zum Shakira-Hit «Waka, Waka» durch die Hotel-Lobby, knuddelte einige Angestellte und grinste dabei wie ein kleines Kind in der Süßwarenabteilung im Supermarkt.

Die wilde Party filmte van Gaal mit seinem Handy, als wolle er Erinnerungen für die Zeit nach dieser WM speichern, wenn seine Ära als Trainer der Niederlande endgültig vorbei ist. Der Auslöser für diese herrlich anzuschauende Oranje-Rückkehr ins Teamhotel St. Regis am Persischen Golf war ein souveränes 3:1 im Achtelfinale gegen die USA, das nun am Freitag in der Runde der letzten Acht mit dem WM-Klassiker gegen Argentinien zusätzlich belohnt wird. Van Gaals Mannschaft spielte immer noch nicht schön, wie von vielen prominenten Ex-Profis in der Heimat gefordert. Doch sie zeigte etwas, was ungleich wertvoller ist: Titelreife.

Der Taktiker van Gaal ließ die ebenso mutig wie naiv spielenden US-Boys derart eiskalt in die Falle tappen, es muss ihm ein Fest gewesen sein. Allein der erste Treffer, der nach einer Folge von 20 Pässen fiel, war Van-Gaal-Voetbal in Perfektion. «Man hat den Kern unseres Systems gesehen», betonte Denzel Dumfries, der zwei Tore vorbereitete und das letzte selbst erzielte. Drei Torbeteiligungen in einem Spiel waren bei einer WM im Oranje-Trikot zuvor nur Rob Rensenbrink und dem großen Johan Cruijff gelungen.

Beeindruckende Serie

Van Gaal wollte zu seinem Matchplan nichts Konkretes sagen – und sagte doch alles: «Die Frage möchte ich nicht beantworten, sonst würde ich als arrogant rüberkommen.» In der dritten Amtszeit des früheren Bayern-Trainers haben die Niederlande noch immer nicht verloren, sind seit nunmehr 19 Spielen nacheinander ungeschlagen.

Willkommenes Abfallprodukt der Vorstellung ist die langsam aufkommende Ruhe in der Heimat. Trotz des Gruppensiegs waren die ewigen Nörgler nicht milde gestimmt, schlicht zu einschläfernd war die Darbietung. Nun dreht der Wind langsam. «Wir stehen im Viertelfinale. Wenn du gewinnst, hast du Freunde», sagte Stürmer-Legende Marco van Basten im TV-Sender NOS. Und der frühere HSV-Profi Rafael van der Vaart meinte: «Es ist eine Mannschaft, die da auf dem Platz steht. Lasst uns alle mal reden – wir stehen im Viertelfinale.»

Selbst aus der Soccer-Nation USA hatte es Spott vor dem Achtelfinale gegeben. Basketball-Legende Charles Barkley tönte, man werde Holland in den Hintern treten. «Ich garantiere euch, die Niederlande ist in Schwierigkeiten», meinte der 59-Jährige. Nun, sein Metier ist eben eher, einen Ball durch einen Ring zu werfen. Oranje-Star und Torschütze Memphis Depay konterte nach dem Spiel via Twitter. «Viel Gebell, kein Biss», schrieb der 28-Jährige an Barkley.

Bondscoach gelassen und ehrgeizig

Van Gaal kümmert der ganze Zirkus selbstredend wenig. «Ich bekomme genug Wertschätzung von den Leuten um mich herum», sagte der Bondscoach und legte nach: «Einige Top-Nationen sind nicht weitergekommen und wir haben noch drei Spiele vor uns. Wir können Weltmeister werden.»

Mit dem Fußball-Klassiker gegen Argentinien will sich van Gaal aber frühestens am Montag beschäftigen. Erstmal gab er seinen Spielern einen Tag frei. «Sie müssen mich dann nicht sehen und das ist gut so, denn sie haben langsam genug von mir.» Zumindest von den Bildern des tanzenden van Gaal kann man eigentlich nie genug bekommen.

Tom Bachmann, Christian Kunz und Jan Mies, dpa