Portugal stürmt ins Viertelfinale – Schweizer enttäuschend

Der zum Joker degradierte Cristiano Ronaldo umarmte kurz Matchwinner Gonçalo Ramos, ließ sich alleine von den Fans bejubeln und verschwand dann eilig in der Kabine. Die übrige Mannschaft feierte nach Portugals bislang bester Turnierleistung und dem ersten Einzug ins WM-Viertelfinale nach 2006 weiter Dreifachtorschütze Ramos.

«Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das ist ein Traum, der in Erfüllung geht», sagte Ramos. Ob er auch im Viertelfinale wieder für Ronaldo spielen werde, wollte der Angreifer nicht vorhersagen. «Das entscheide nicht ich, das entscheiden andere.»

Die Portugiesen gewannen im Lusail Stadion nach einer überzeugenden Leistung mit 6:1 (2:0) gegen die enttäuschende Schweiz. Der für Ronaldo in die Startelf gerückte Ramos mit einem Dreierpack (17./51./67. Minute), Ersatzkapitän Pepe (33.), BVB-Profi Raphael Guerreiro (55.) und Rafael Leão (90.+2) erzielten die Tore für den Europameister von 2016. Ronaldo kam erst in der 73. Minute in die Partie. «Wir waren gut eingestellt, haben sehr gut gespielt. Es war ein großes Spiel», sagte Trainer Fernando Santos. Portugal trifft nun am Samstag (16.00 Uhr) im Viertelfinale auf Marokko, das Spanien überraschend im Elfmeterschießen besiegt hatte.

Für die Schweiz war vor 83.720 Zuschauern das Tor von Manuel Akanji (58.) zu wenig, die Eidgenossen schieden das dritte Mal in Serie im WM-Achtelfinale aus. «Ich will mich im Namen der Mannschaft für die Leistung entschuldigen. Wir waren alle nicht auf dem Niveau, auf dem wir normalerweise sind», sagte Xherdan Shaqiri frustriert.

Die «strategische» Entscheidung zahlte sich aus

Die große Frage vor dem Spiel lautete: Verzichtet Santos tatsächlich auf Ronaldo? Der 68-Jährige entschied sich dafür, setzte den Superstar auf die Bank und gab stattdessen dem erst 21 Jahre alten Ramos eine Chance. Am Vortag hatte Santos Ronaldo, der wegen des angeblich bevorstehenden Wechsels zum saudischen Club Al-Nassr seit Tagen im Fokus steht, für dessen Frust-Auswechslung gegen Südkorea gerügt. Der 37-Jährige stand so erstmals seit 2008 und nach 31 Spielen bei einem großen Turnier nicht in Portugals Startelf.

Und die «strategische» Entscheidung von Santos zahlte sich nach einem zurückhaltenden Beginn beider Mannschaften schnell aus. Nach gut einer Viertelstunde traf Ramos von Benfica Lissabon aus spitzem Winkel ins Toreck, der Schweizer Keeper Yann Sommer sah dabei nicht gut aus. Der fast doppelt so alte Pepe traf dann nach einer Ecke per Kopf zum 2:0. Mit 39 Jahren und 283 Tagen ist er nun der älteste Torschütze in einem K.o.-Spiel einer WM.

Ronaldos Treffer wurde nicht gegeben

Ronaldo jubelte im Ersatzspieler-Leibchen mit seinen Teamkollegen, die übrige Partie verfolgte der vereinslose Offensivspieler zunächst meist reglos oder an den Fingernägeln kauend von der Ersatzbank aus. Sobald Ronaldo auf den großen Video-Leinwänden eingeblendet wurde, ging ein Raunen durch das fast 90.000 Zuschauer fassende WM-Finalstadion. Mitte der zweiten Halbzeit forderten die Fans mit Sprechchören die Einwechslung ihres Idols – und Coach Santos erfüllte ihnen wenig später diesen Wunsch. Doch ein vermeintlicher Ronaldo-Treffer zum 6:1 wurde wegen Abseits nicht gegeben (84.).

Schon vor der Einwechslung des Superstars zeigte Portugal seine mit Abstand beste Leistung bei dieser WM. Spielfreudig, ballsicher und mit schönen Kombinationen zerlegten die Iberer die Schweizer Defensive. Kurz vor der Pause hätte Ramos sogar sein zweites Tor nachlegen können, doch Sommer hielt stark gegen den Youngster (43.).

Die Schweiz war weitgehend abgemeldet

Der vor dem Turnier von Nationaltrainer Murat Yakin als «eine der besten Schweizer Nationalmannschaften» gelobte Gegner war weitgehend abgemeldet. Ein Freistoß von Xherdan Shaqiri neben das Tor (30.) und ein Kopfball von Remo Freuler (38.), den Portugals Diogo Dalot für Keeper Diogo Costa auf der Linie rettete, waren zunächst die einzigen Chancen. Vor allem über ihre rechte Seite waren die Eidgenossen nach der Hereinnahme des Mainzers Edimilson Fernandes für seinen erkälteten Clubkollegen Silvan Widmer anfällig.

Und Portugal hatte noch nicht genug. Auch in der zweiten Halbzeit spielte der WM-Vierte von 2006 weiter nach vorne. Erneut der starke Ramos durch die Beine von Sommer und Guerreiro mit seinem ersten Turniertor trafen gegen die nun defensiv überforderten Schweizer. Das 1:4 durch den ehemaligen Dortmunder Akanji änderte nichts mehr am Ausgang der Partie, zumal Ramos wenig später sogar noch sein drittes Tor gelang. Den Schlusspunkt setzte Leão mit einem feinen Schlenzer in der Nachspielzeit.

Miriam Schmidt, Christoph Lother und Nils Bastek, dpa