«Rechnung zu begleichen»: Niederländer wollen Messi stoppen

Louis van Gaal grinste, kokettierte mit Alter und Aussehen und ließ sich vor dem Viertelfinal-Kracher gegen Argentinien sogar noch eine Option für den Fall des vorzeitigen WM-Aus offen.

«Wenn ein wirklich interessantes Angebot kommt, könnte ich als Trainer weitermachen. Ich bin 71 Jahre jung, sehe noch gut aus und unfassbar jung», sagte van Gaal und musste selbst dabei lachen.

Bestens gelaunt und mit Geheimtipps des mehrmaligen Argentinien-Besiegers Bastian Schweinsteiger im Hinterkopf («Das ist Privatsache») stellte van Gaal einen Tag vor dem allein schon historisch aufgeladenen Duell zwischen den Niederlanden und den Südamerikanern um Superstar Lionel Messi aber auch klar: «Das Turnier beginnt jetzt richtig für uns.» Genauer an diesem Freitag zwei Stunden vor Mitternacht Ortszeit (20.00 Uhr MEZ/ARD und MagentaTV) im Lusail-Stadion. Für wen das Turnier danach vorbei ist, wird sich zeigen. Messi hat schon mehrfach klargestellt: «Das ist meine letzte WM.»

«Haben eine Rechnung zu begleichen»

Seine fünfte WM ist bislang wohl auch seine Beste. Messi ist in Spiellaune wie selten bei einer Weltmeisterschaft, gegen Australien schoss er seinen ersten K.o.-Runden-Treffer, jetzt ist er auf Rekordjagd. «Der neue Messi», schwärmt die argentinische Zeitung «Pagina12» bereits. «Er sieht gut und glücklich aus. Das ist gut für uns», betonte Mitspieler Alex Mac Allister im Medienzentrum der WM.

Van Gaal ist das komplett egal. «Wir haben eine Rechnung zu begleichen», sagt der Coach, der auch bei dieser WM in Katar alles von seinem fußballerisch-taktischen wie menschlich-unterhaltsamen Repertoire aufbietet und mit seinen 71 Jahren als ältester Coach zum WM-Star am Spielfeldrand und darüber hinaus geworden ist.

Die Rechnung liegt knapp achteinhalb Jahre zurück. Beim fünften WM-Duell der beiden Nationen setzt sich Argentinien 2014 im Halbfinale durch, scheitert dann aber im Finale von Rio an Deutschland. 1978 hatte Argentinien das Finale im eigenen Land gegen die Niederländer nach Verlängerung gewonnen.

Ansonsten gab es zwei Siege von Oranje gegen die Himmelblau-Weißen aus Südamerika und ein Remis: Eine Nullnummer 2006 – es war Messis erster WM-Einsatz von Beginn an, und das kurz vor seinem 19. Geburtstag. An diesem Freitag im Lusail-Stadion (20.00 Uhr MEZ/ARD und MagentaTV) wird er mit 35 Jahren sein 24. WM-Spiel bestreiten und in der Rekordliste mit Miroslav Klose gleichziehen. Kommt Argentinien weiter, stehen noch zwei weitere WM-Spiele an, mit 26 Partien würde Messi auch noch an Rekordhalter Lothar Matthäus vorbeiziehen.

Genauer Plan von van Gaal

Er weiß aber auch, welche Aufgabe nun auf ihn und seine Teamkollegen wartet, selbst wenn van Gaals Zeit beim FC Barcelona vor der von Messi lag. «Eine großartige Mannschaft, mit großartigen Spielern und einem großartigen Trainer», lobte der siebenmalige Weltfußballer die Niederländer: «Es wird sehr schwer.»

Auch weil van Gaal schon einen ziemlich genauen Plan hat. «Natürlich ist Messi ihr gefährlichster und kreativster Spieler. Auf der anderen Seite beteiligt er sich nicht viel am Spiel, wenn der Gegner in Ballbesitz ist», sagt der Bondscoach. Darin liege eine Chance. «Alle reden über Messi. Aber das ist nicht Niederlande gegen Messi, sondern Niederlande gegen Argentinien», sagt Abwehrchef Virgil van Dijk.

Die Holländer bestachen bei der WM bisher auch noch nicht durch besonders glänzenden Fußball. Sie setzten sich in ihrer Gruppe nach Siegen gegen Senegal, Katar und einem Remis gegen Ecuador als Erster durch. Im Achtelfinale schlugen sie die USA.

Keeper Noppert als Rückhalt

Ihr Torwart Andries Noppert vom SC Heerenveen gab bei dieser WM überhaupt erst sein Länderspiel-Debüt für Oranje – nach nur 32 Erstliga-Einsätzen und keinem einzigen Europacup-Spiel in seiner Vita. Mit 2,03 Metern ist der 28-Jährige der größte Spieler des Turniers. Vor allem aber ist sein Karriereweg das exakte Gegenteil von Messis.

Noch in den Jahren 2019 und 2020 gaben ihm die Zweitliga-Clubs Foggia Calcio und FC Dordrecht keinen neuen Vertrag. Noppert hatte sich schwer am Knie verletzt. Seine Eltern rieten ihm, sich bei der Polizei zu bewerben. Zum Vergleich: Nach Recherchen der spanischen Zeitung «El Mundo» verdiente Messi beim FC Barcelona allein zwischen 2017 und 2021 rund 555 Millionen Euro brutto.

Wer es nach so vielen Rückschlägen doch noch so weit gebracht hat wie Noppert – den macht auch ein Duell mit Lionel Messi nicht mehr nervös. «Er ist das gleiche wie wir. Er ist ein Mensch!», sagte der Torwart cool.

Jens Marx, Tom Bachmann und Sebastian Stiekel, dpa