Es war ein aufregendes erstes Jahr für Eintracht Spandau. Die neu gegründete E-Sport-Organisation aus dem Berliner Bezirk, der sich gern von der Hauptstadt abgrenzt, hat in der deutschen League-of-Legends-Szene einiges ins Rollen gebracht.
Sehr deutlich sah man das auf der Dreamhack Hannover: Beim Showmatch zwischen Eintracht Spandau (EINS) und dem Streamer-Team NoNeedOrga (NNO) versammelten sich Hunderte Fans vor der Hauptbühne, viele von ihnen in Merch-Artikeln des Vereins.
Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur sprechen Produktleiter Christian Baltes, Cutterin und Artist Nastassja Strobel und der sportliche Leiter Kevin Westphal Mitte Dezember über Erwartungen, das ausklingende Jahr – und wo die Reise 2023 noch hingehen soll.
Eintracht Spandau im Rückblick: Sportliche Ziele erreicht
Frage: Im Rückblick auf 2022: Hat Eintracht Spandau erreicht, was es erreichen sollte? Wurden die Erwartungen erfüllt?
Westphal: Mein Ziel war: Lass uns solide spielen. Und das haben wir das ganze Jahr über gemacht. Wir haben direkt im ersten Split im Finale und EU Masters gespielt. Wir waren auf allen Bühnen, auf denen wir sein müssen. Der Sommer hätte besser sein können, aber auch das war kein Totalausfall.
Baltes: Das komische an Erwartungen ist ja, dass sie sich anpassen. Wenn wir jetzt den Stand Januar 2022 nehmen, dann haben wir die Erwartungen erfüllt, auch wenn die da schon sehr hoch waren. Ich weiß aber, dass wir alle Zahlen aus den Prognosen übertroffen haben. Wir waren viel krasser, als ich das gedacht habe.
Aber über das Jahr hinweg hat sich diese Erwartung halt immer wieder angepasst. Teilweise hatten wir dann auch Videos, von denen wir dachten, die gehen durch die Decke, die dann nicht ganz so durch die Decke gingen. Da sind die Erwartungen zurückgeblieben, weil man auf einmal einen anderen Anspruch hat.
Strobel: Als ich angefangen habe, wusste ich ja gar nicht, was ich eigentlich zu erwarten habe. Wir mussten auch erstmal alles irgendwie aufbauen und strukturieren. Und ich wurde dann super positiv überrascht, was alles möglich ist. Und deswegen freue ich mich extrem auf das nächste Jahr.
Eintracht-Spandau-Bus: «Dümmste Idee»
Frage: Einige Geschichten gibt es ja auch zum Anfassen – hier auf der Dreamhack Hannover seid ihr mit eurem Mannschaftsbus, zu dem es auch ein großes Video gab. Wie seht ihr die Aktion im Nachhinein?
Baltes: Während wir das Bus-Ding machen, war eigentlich Konsens: Das war die dümmste Idee, die wir je gehabt haben. Wie viel Aufwand da reingeflossen ist von so vielen unterschiedlichen Leuten, teilweise auch extern aus der Community. Da ist so viel auch schiefgegangen. Und jetzt steht man da in so einem geilen Bus und man merkt, was wir in unserem ersten Jahr eigentlich alles schon umsetzen konnten.
Westphal: Ich bin ehrlich: Es ist so surreal. Ich habe acht Jahre lang ein anderes E-Sport-Team gehabt und in den acht Jahren habe ich von der Aufmerksamkeit her nicht so viel geschafft, wie jetzt in dem diesem Jahr passiert ist.
Ziel: Eintracht Spandau rentabel machen
Frage: Die E-Sport-Branche ist gerade, auch durch die allgemeine wirtschaftliche Situation, in einer schwierigen Phase. Wie sieht die finanzielle Lage von Eintracht Spandau aus?
Baltes: Wir haben 2022 unser finanzielles Ziel erreicht. Das heißt aber umgekehrt auch: Wir kratzen gerade so an der Profitabilität. Und das langfristige Ziel ist, dass wir rentabel werden, also Gewinn machen. Und da sind wir noch nicht, das nach einem Jahr zu erreichen, wäre aber auch unrealistisch. Was gleichzeitig passiert ist: Wir haben gemerkt, wie viele Einnahmen wir generieren können und haben dementsprechend auch hochskaliert. Nächstes Jahr wird unser Content-Team zum Beispiel nochmal deutlich größer. Weil es viele Ideen gab, die wir aus Zeitgründen nicht umsetzen konnten.
Die Rolle von HandofBlood bei Eintracht Spandau
Frage: Wie wichtig bleibt denn in Zukunft die Einbindung von Gründer Max «HandofBlood» Knabe in den Videos?
Strobel: Ohne ihn kann man die Geschichte gar nicht fertigerzählen. Aber der Wunsch ist natürlich, dass wir mehr Charaktere etablieren können, damit wir auch bessere Storys erzählen können. Ich habe zwar nichts gegen die «Kevin-Show» – aber damit wir nicht nur die Kevin-Show fahren müssen.
Baltes (ironisch): Also ich find‘ die Kevin-Show scheiße (alle lachen).
Strobel: Aber Kevin könnte öfters im Bademantel …
Baltes: Ja! Dann finde ich die Kevin-Show gut!
Westphal: Was wichtig ist: dass es nicht Eintracht Spandau heißt und die Leute kommen zum Match und rufen die ganze Zeit «HandofBlood!». Und das war nie der Fall, die Leute haben sich direkt mit Eintracht Spandau identifiziert.
Kevin Westphal: Wollen was gewinnen
Frage: Was sind denn die Ziele für 2023 bei Eintracht Spandau?
Westphal: Sportlich auf jeden Fall, dass wir was gewinnen. Das wird mit SK Gaming Prime aber sehr schwer, die haben sich sehr stark aufgestellt. Wenn wir die Playoffs verpassen würden, wäre das eine Enttäuschung.
Strobel: Wir wollen eine Storyline haben, die wir gut erzählen. In der wir regelmäßig Videos raushauen, bei denen die Leute das Gefühl haben, dass sie auch wirklich jede Folge schauen müssen. Und wir auch genug neue Charaktere aufbauen und auch eventuell Menschen von anderen Teams mit einbeziehen.
Baltes: Natürlich wollen wir gern grüne Zahlen. Was mir aber auch wichtig ist, dass wir spüren, dass wir trotz des starken Wachstums gereift sind. Ende des Jahres will ich sagen: Wir sind eine richtige Firma. Gerade sind wir noch so ein Projektteam in einer GmbH, bei dem jeder alles macht.
Eintracht Spandau: Einstieg in Valorant?
Frage: Wie sieht es aus mit neuen sportlichen Teams? Ein weibliches LoL-Team oder ein Einstieg in Valorant?
Westphal: Einerseits sind wir im Moment ein Team, was es uns einfach macht, uns als Eintracht Spandau darzustellen. Es ist das League-of-Legends-Team, das müssen wir nicht erklären.
Valorant wäre ein komplett neues Squad, das kostet eine halbe Million, wenn du da ordentlich Gas geben willst. Und der Content nochmal eine halbe Million. Die Kohle musst du erstmal ranbekommen – bringt dir dann Valorant wirklich so viel? Ich glaube, wir haben noch so viel offen, was wir mit LoL machen können. Und ich sehe nicht die Notwendigkeit, in einem anderen Titel zu starten, obwohl wir andere Titel super spannend finden.
Der natürlichste Schritt wäre wohl ein Nachwuchs- oder Female-Team in LoL. Aber auch da will ich das ordentlich machen, was eine Ressourcen-Frage ist. Ich will nicht einfach nur fünf Spielerinnen anstellen, damit wir sagen können: Wow, wir haben ein Female-Team. Das muss durchdacht sein, die müssen einen guten Coach haben, damit da auch richtig was passiert. Und im besten Fall würden wir von Riot Games Infos bekommen, ob es eine Liga gibt oder nicht.
ZU DEN PERSONEN: Kevin Westphal ist der sportliche Leiter und Christian Baltes der Projektleiter bei Eintracht Spandau. Beide sind seit der Gründung im November 2021 dabei. Nastassja Strobel kam im Februar 2022 für den Content hinzu und tritt in Videos in der Rolle der Pressesprecherin auf. Eintracht Spandau startet in der höchsten deutschen League-of-Legends-Spielklasse der Prime League.