Nahbar und authentisch: DHB-Männer begeistern bei WM

Vor den TV-Geräten fiebern im Durchschnitt mehr als fünf Millionen Menschen mit, für das Auftaktspiel der Heim-EM 2024 wurden schon 30.000 Tickets verkauft und die öffentliche Wahrnehmung ist äußerst positiv. Mit ihren erfrischenden und erfolgreichen Auftritten bei der Weltmeisterschaft haben sich Deutschlands Handballer zurück in die Herzen der Fans gespielt.

«Die Mannschaft gibt ein sehr positives Bild ab, tritt sehr sympathisch auf. Das hilft uns natürlich», sagte DHB-Vorstandschef Mark Schober der Deutschen Presse-Agentur.

Kapitän Johannes Golla & Co. sind in den WM-Tagen in aller Munde. Nahbar, authentisch, ehrlich, leidenschaftlich – das sind die am meisten gehörten Attribute. «Ich denke, dass der sehr starke positive Effekt mit der Fußball-WM in Katar zusammenhängt. Dass man ohne Vorbehalte wieder ein Sportgroßevent anschauen kann», sagte Christoph Bertling vom Institut für Kommunikations- und Medienforschung der Deutschen Sporthochschule Köln in einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. «Die Bodenständigkeit der Handballer als Gegenschablone zu dem, was davor passiert ist, wirkt da noch einmal besonders.»

Euphorie erreicht auch Kattowitz

Diese Ansicht vertritt auch ZDF-Sportchef Yorck Polus, der mit den Einschaltquoten bei den WM-Spielen «sehr zufrieden» ist. «Das ist eine Mannschaft, die begeistert, ein sympathischer Haufen. Diese Mannschaft könnte einen Handball-Boom auslösen», sagte der 52-Jährige. Die DHB-Auswahl werde «als angenehmer Gegenentwurf wahrgenommen zu dem, was im Fußball passiert ist, mit den Vorurteilen, die sich da gebildet haben, mit dem gigantischen und Kommerz behafteten Fußball.»

Im WM-Spielort Kattowitz wird der momentane Hype natürlich wahrgenommen. «Wir bekommen viele positive Rückmeldungen von Fans und Partnern», berichtete Vorstandschef Schober. Auch Sportvorstand Axel Kromer freut sich über die gestiegene Aufmerksamkeit. «Offensichtlich herrscht in Deutschland eine große Euphorie und Begeisterung für die Nationalmannschaft. Das ist für uns natürlich immens wichtig mit Blick auf die Entwicklung des Handballs», sagte der 46-Jährige.

Die Mannschaft könne zwar noch keinen Erfolg für die Geschichtsbücher vorweisen, doch: «Was bisher erreicht worden ist, bleibt bestehen. Nämlich, dass wir eine Begeisterung gelebt haben. Losgelöst vom Ergebnis ist ganz, ganz viel geschehen. Die Einschaltquoten zeigen, dass ein riesiges Interesse an uns besteht. Das ist die Grundlage für eine weitere Entwicklung», sagte Kromer.

Mannschaft begeistert mit Erfolgen

Läuft der Handball dem Fußball jetzt also den Rang ab? Natürlich nicht. In der Publikumsgunst gehe es «nicht um den Platz an der Sonne, sondern um den zweiten Platz», betonte Kommunikationsexperte Bertling. Da haben die Handballer nach zwei dürftigen Corona-Jahren die Nase derzeit vorn. «Wir merken es immer wieder, dass es bei Sportarten wie Handball oder Basketball mit sportlichem Erfolg bei Großevents funktioniert», sagte Bertling. «Weil es ein Event ist, und dieses Event von nationalen Erfolgen lebt.»

Für den Deutschen Handballbund kommt das bisher gute WM-Abschneiden der immer noch ungeschlagenen Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason einem Jackpot gleich. «Sportlicher Erfolg führt zu mehr Fans und Mitgliedern. Das haben wir in den vergangenen 20 Jahren immer wieder gesehen», sagte Schober.

Das kann Bob Hanning aus eigener Erfahrung bestätigen. Der Geschäftsführer des Bundesliga-Spitzenreiters Füchse Berlin arbeitete viele Jahre lang als Vizepräsident für den DHB. «Eine Nationalmannschaft, die nicht funktioniert, kann sich eigentlich nur der Fußball erlauben, weil die Strahlkraft der Bundesliga groß genug ist», sagte der 54-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Hanning: «Herzblut und Leidenschaft»

Hanning hofft, dass der Handball künftig «durch das, was wir gerade erleben, sowie durch die Veränderung des Fernsehvertrages und den damit verbundenen neuen Möglichkeiten zum Thema Bewegtbild» eine Menge erreichen kann. Wichtig sei eine weitere Professionalisierung. «Ich glaube, dass wir uns als Sportart nur so entwickeln können. Die Kombination aus Bundesliga und Nationalmannschaft kann uns dabei helfen», sagte Hanning.

Auch er rühmt den Charakter der Spieler, die mit «Herzblut und Leidenschaft» auftreten würden. Einen Vergleich zum Fußball lehnt Hanning aber ab. Vielmehr gab er zu bedenken: «Ich könnte nicht für jeden Handballer die Hand ins Feuer legen und sagen, wenn er das Gehalt von Messi hätte, dass der ein oder andere da nicht auch abheben würde.»

Von Eric Dobias und Nils Bastek, dpa