«Überhaupt nichts gespürt»: Djokovic brilliert schmerzfrei

Die Leichtigkeit ist zurück, der Oberschenkel hält: Mit einer Machtdemonstration hat Tennisstar Novak Djokovic Zweifel an seiner Fitness vorerst beendet und das Viertelfinale der Australian Open erreicht.

Der 35 Jahre alte Serbe deklassierte in einem höchst einseitigen Achtelfinalmatch den überforderten Australier Alex de Minaur und setzte sich nach nur 2:06 Stunden locker mit 6:2, 6:1, 6:2 durch. Anders als in den zwei Runden zuvor bereitete Djokovic der linke Oberschenkel keine Probleme, seiner Rekord-Mission scheint daher kaum noch etwas im Wege zu stehen.

Becker: «Gut genug, um das Turnier zu gewinnen»

«Ich habe überhaupt nichts gespürt, heute war es großartig», sagte Djokovic hinterher sichtlich erleichtert. Er nehme «eine Menge» Schmerztabletten in diesen Tagen, «das ist nicht ideal» – aber es scheint zu helfen: «Alles in allem war das ein perfektes Match für mich heute.» 

Auch Boris Becker war beeindruckt. «Er hat eine Schippe draufgelegt», sagte der Eurosport-Experte über seinen Ex-Schützling: «Die Frage war: Wie geht es seinem Oberschenkel? Die Antwort hat er selbst gegeben: Gut genug, um das Turnier auch zu gewinnen.» Das sei «die wichtigste Botschaft».

Doch auch den sechsmaligen Grand-Slam-Turniersieger hat das Verhalten Djokovics in den Matches zuvor, als er Behandlungspausen eingefordert und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Hartplatz fallen gelassen hatte, irritiert: «Manchmal hat man den Eindruck, dass er blufft. Manchmal hat man den Eindruck, er kann das Match nicht beenden. Es ist irgendwie zwischen Himmel und Hölle. Das ist schwierig für den Gegner, sich darauf einzustellen.»

Rekord ist zum Greifen nah

Wegen dieser Blessur und der bis dahin starken Leistung des an Nummer 22 gesetzten de Minaur hatten die australischen Fans auf eine Überraschung gehofft – doch diese Hoffnung legte sich in der Rod Laver Arena schnell. Djokovic war von Beginn an hellwach, körperlich auf der Höhe und in nahezu allen Belangen überlegen. «Ich kann nicht sagen, dass es mir leid tut, dass ihr kein längeres Match gesehen habt», sagte Djokovic an die Fans gerichtet.

De Minaur fehlte die Qualität für einen Coup gegen den Turnierfavoriten, der nur noch drei Siege vom 22. Grand-Slam-Turniersieg entfernt ist. Damit würde Djokovic im Finale am 29. Januar mit Rekordhalter Rafael Nadal gleichziehen. «Das ist sein Lebenstraum», weiß Becker.

Am Mittwoch kämpft der bei den Australian Open seit 25 Spielen unbesiegte Djokovic zunächst gegen den Russen Andrei Rubljow um das Halbfinalticket. Der 25-Jährige hatte zuvor in einem packenden Fünfsatzkrimi gegen Dänemarks Jungstar Holger Rune (19) das fast schon sichere Aus gleich mehrfach abgewendet und nach 3:37 Stunden mit 6:3, 3:6, 6:3, 4:6, 7:6 (11:9) dank eines glücklichen Netzrollers beim Matchball gewonnen.

«Das ist keine Achterbahnfahrt, das ist, als ob dir einer eine Waffe an den Kopf legt. Achterbahnfahren ist leichter», sagte Rubljow, der nun auch gegen seinen persönlichen Fluch ankämpft: Alle seine bisherigen sechs Grand-Slam-Viertelfinalspiele hat er verloren.

Ebenfalls die Runde der besten acht Spieler erreichten die Amerikaner Ben Shelton durch einen Fünfsatzsieg gegen Landsmann J.J. Wolf und Tommy Paul, der sich in vier Sätzen gegen den Spanier Roberto Bautista Agut durchsetzte.

Bei den Frauen überstanden die Kroatin Donna Vekic, die Belarussin Aryna Sabalenka, die Polin Magda Linette und die ehemalige Weltranglistenerste Karolina Pliskova aus Tschechien die Achtelfinalhürde.

Jörg Soldwisch, dpa