Alfred Gislason wird auch vor dem letzten WM-Auftritt der deutschen Handballer gegen Norwegen wieder unruhig über das Parkett tigern und gegen die innere Anspannung ankämpfen. «Vor dem Spiel auf den Anpfiff zu warten, ist die schlimmste Zeit für einen Trainer. Das ist eine Qual und Tortur», erzählte der Bundestrainer im Verlauf des Turniers.
Ansonsten vermittelte der 63 Jahre alte Isländer bei der Endrunde in Polen und Schweden ein Bild von sich, das man so bisher nicht von ihm kannte. Gislason wirkte mit wenigen Ausnahmen ruhig und gelassen, was auch bei seiner jungen und unerfahrenen Truppe gut ankam.
«Man merkt ihm an, dass es ihm Spaß macht, wenn die Mannschaft das umsetzt, was er sich vorstellt. Es ist mittlerweile eine sehr gute Einheit. Trainer und Mannschaft sind zusammengewachsen», sagte Kapitän Johannes Golla.
Viel Lob für den Isländer
Auch Torwart-Routinier Andreas Wolff berichtete viel Positives über die Zusammenarbeit mit Gislason. Dabei waren beide früher beim THW Kiel nicht gerade beste Freunde. «Er gibt uns eine gewisse Gelassenheit, hat unfassbar viel Erfahrung und Kompetenz. Er kann uns immer etwas an die Hand geben, das uns hilft und schafft ein gutes Klima», sagte Wolff über den Isländer.
Für den wirkte das erste normale Turnier seit der Amtsübernahme im Februar 2020 wie eine Befreiung. Endlich konnte Gislason sich nur auf den Handball konzentrieren. Das war zuvor bei der WM 2021 und EM 2022 wegen der Corona-Pandemie noch ganz anders gewesen. Da war er als Mängelverwalter und Krisenmanager gefragt.
Bei dieser Weltmeisterschaft ist er mit dem Team den erhofften Schritt vorangekommen. «Die Jungs haben insgesamt eine sehr gute Leistung gezeigt. Da ist vieles zusammengewachsen», lobte er schon vor dem Spiel um Platz fünf an diesem Sonntag (13.00 Uhr/ZDF) in Stockholm.
Die Spieler geben die Komplimente zurück. «Ich glaube, wir haben ein sehr enges Vertrauensverhältnis, er lässt uns freie Hand, das hat einen riesengroßen Anteil an unserem Spiel», sagte Christoph Steinert. Dennoch habe der Bundestrainer immer den Hut auf. «Alfred hat eine sehr autoritäre Aura, die schon an und für sich für Struktur und Ordnung sorgt», betonte der 33-Jährige.
DHB will Vertrag verlängern
Auch Co-Trainer Erik Wudtke gefällt das gute Zusammenspiel zwischen dem Chef und den Spielern. «Alfred hat eine gewisse Lockerheit, er spiegelt Souveränität und Selbstbewusstsein wider, das nimmt die Mannschaft auf», sagte Wudtke. Kein Wunder, dass der Deutsche Handballbund den Vertrag mit Gislason so schnell wie möglich verlängern möchte. Das aktuelle Arbeitspapier gilt bis 2024 und umfasst neben der Heim-EM auch die Olympischen Spiele in Paris. «Dafür wollen wir uns unbedingt qualifizieren», sagte Gislason.
Er selbst habe keinen Stress, was mögliche Vertragsgespräche mit dem Verband angeht («Ich laufe nicht weg»), kann sich aber gut vorstellen, den eingeschlagenen Weg weiter mitzugehen. Denn die Entwicklung ist längst nicht abgeschlossen. «Mit dieser jungen Truppe macht es mir sehr viel Spaß», betonte Gislason.
Doch es gibt auch noch einige Baustellen zu beheben. «Wir wissen, dass wir nicht die Breite im Kader haben», sagte der Bundestrainer. Vor allem im Rückraum, wo es mit Ausnahme von Spielmacher Juri Knorr an internationaler Klasse mangelt. «Da strahlen wir keine große Gefahr aus», monierte Gislason.
Bis zur Heim-Europameisterschaft im kommenden Jahr hofft er deshalb auf die eine oder andere personelle Verstärkung. «Ich spekuliere aber nicht, wer dazukommen könnte», sagte Gislason. Seine Aufgabe wird es sein, die Mannschaft sinnvoll zu ergänzen, ohne den entstandenen Teamspirit zu gefährden.