Als Meistertrainer gefeuert: Kovac‘ Wiedersehen mit dem FCB

Die deutsche Meisterschaft ist beim FC Bayern die Mindestanforderung, mehr nicht. Sie allein rettet einem Trainer im Zweifel nicht den Job. Julian Nagelsmann wusste das schon, bevor er 2021 nach München kam. Denn es gibt dafür einige prominente Belege: Felix Magath wurde 2007 trotz großer nationaler Erfolge gefeuert, Carlo Ancelotti knapp zehn Jahre später.

Das jüngste Beispiel ist an diesem Sonntag sogar der nächste Münchner Gegner: Denn der heutige Wolfsburger Trainer Niko Kovac gewann mit den Bayern 2019 den Meistertitel und den Pokal. Nicht einmal sechs Monate später musste er beim deutschen Fußball-Rekordmeister wieder gehen.

Mittlerweile geht der 51-Jährige gelassen mit dieser Enttäuschung um. «Ich bin zwar nicht mehr da, aber ich habe in München weiter Kontakt mit einigen», sagte Kovac kurz vor dem Wiedersehen (Sonntag, 17.30 Uhr/DAZN). «Diejenigen, die bei Bayern München spielen und arbeiten, wissen: Dort wird viel verlangt. Das hat sich nicht geändert und das wird sich nie ändern.»

Bei seiner Vorstellung in Wolfsburg sagte Kovac im Juni noch ein paar Worte, die ihm durchaus als Replik auf seine Münchner Zeit ausgelegt werden konnten: Beim VfL habe er das Gefühl: «Ich werde hier gebraucht, ich bin hier willkommen.»

Kovac‘ Attribute sind beim VfL gefragt

Obwohl es zuletzt zwei Niederlagen in der Bundesliga (1:2 bei Werder Bremen) und im DFB-Pokal (1:2 bei Union Berlin) gab, scheinen seine ersten sieben Monate in Wolfsburg zu bestätigen, was vorher schon bei Eintracht Frankfurt, der AS Monaco und eben beim FC Bayern München auffiel: Kovac‘ Strenge, sein Beharren auf Fleiß und Disziplin zahlen sich immer dann aus, wenn ein ehrgeiziger Club nach oben will. Einige Bayern-Stars dagegen, an Leistungs- und Konkurrenzdruck schon seit Jahren gewöhnt, waren davon latent genervt.

«Es hat sicherlich Strömungen innerhalb der Mannschaft gegeben, die den Trainer weghaben wollten», sagte der damalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß ganz offen im ZDF-Sportstudio. Das war nur sechs Tage, nachdem Kovac in München durch Hansi Flick ersetzt worden war. Den wohl größten Schaden hatte der gescheiterte Trainer zuvor mit der Degradierung einer Club-Ikone angerichtet: «Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit seine Minuten bekommen», sagte Kovac einst über Thomas Müller.

Eine Art «Müller-Moment» hatte er im Herbst auch in Wolfsburg: Eine öffentliche Aussage, die innerhalb der Kabine überhaupt nicht gut ankam. Kovac drohte nach schwachem Saisonstart gleich zweimal an, zur Not eben sich selbst oder seinen Bruder Robert einzuwechseln. Der frühere Bayern-Profi ist wie schon in Frankfurt und München auch jetzt wieder sein Co-Trainer.

Wolfsburg trifft auf den «dicksten Brocken der Liga»

Anders als bei den Bayern gilt Kovac in Wolfsburg aber als Trainer, der nicht nur viel fordert, sondern auch gut zuhört. Sein Kapitän beschreibt ihn als «sehr offen und sehr kommunikativ. Wir haben die Köpfe zusammengesteckt und uns ein paar Wahrheiten an den Kopf gehauen.» Dadurch sei «etwas zusammengewachsen», sagte Maximilian Arnold in der Rückschau über jenen Tag, den er und Kovac als «Schlüsselmoment» der bisherigen Saison bezeichnen: die 0:2-Niederlage bei Union Berlin im September.

Danach stellte der VfL beinahe einen Vereinsrekord auf, als er in der Bundesliga zehn Spiele in Serie ungeschlagen blieb. Auch der neue Sport-Geschäftsführer Marcel Schäfer lobte am Freitag Kovac‘ Werk. Der VfL habe jetzt wieder eine Mannschaft, «die eine hohe Einsatzbereitschaft an den Tag legt und eine klare Spielphilosophie hat».

Am Sonntag geht es nun gegen die Bayern. Oder wie Kovac sie nennt: den «dicksten Brocken der Liga». Seine Devise ist typisch für ihn: «Du kannst nur mit Selbstvertrauen gegen Bayern München spielen. Denn wenn du Angst hast, wird es sowieso nichts werden.»

Sebastian Stiekel, dpa