Langlauf-Teamchef würde WM-Medaille feiern

Auch mit einem Jahr Abstand bekommt Peter Schlickenrieder bei den Bildern von Peking immer noch Gänsehaut. Winter um Winter prägten Misserfolge und mühsame Aufbauarbeit den Alltag des Teamchefs der deutschen Langläufer, der an seinem 52. Geburtstag aus dem Nichts das herrlichste Geschenk erhielt: Olympia-Gold!

Der Teamsprint-Coup von Victoria Carl und Katharina Hennig, den ARD-Reporter Jens-Jörg Rieck brüllend mit den Worten «Hast denn Du die Pfanne heiß?» begleitete, war ein Meilenstein für den deutschen Langlauf. Und er soll helfen, den wegen Erfolglosigkeit in der Versenkung verschwundenen Sport wieder ins Rampenlicht zu führen.

«So etwas passiert in einem Leben einmal oder vielleicht zweimal, dann ist das Glück auf dieser Welt verbraucht», beschrieb Teamchef Schlickenrieder die Besonderheit des Ereignisses, das sich in der vergangenen Woche zum ersten Mal jährte. Nun sind Hennig, die sich seit der Tour de Ski 2023 auch Einzel-Weltcupsiegerin nennen darf, und das restliche Team im slowenischen Planica gefordert. Nach der Olympia-Flaute soll auch die WM-Flaute enden. Am Donnerstag stehen die ersten Entscheidungen im Sprint an – noch ohne die ganz großen deutschen Chancen.

Teamchef dämpft Erwartungen

Schlickenrieder dämpft mit Blick auf die gesamte WM schon vorab die Erwartungen, gerade mit Blick auf Hennig als seine stärkste Athletin. «Die Frage, ob sie in Höchstform bei der WM am Start steht, ist schwierig. Ich würde nicht zu viel von ihr erwarten. Eigentlich ist das, was jetzt kommt, Zubrot. Der Zehn-Kilometer-Lauf im Einzel ist Skating, das ist nicht ihre Traumdisziplin», sagte der Teamchef. Schon eine WM-Medaille seines Teams würde er so euphorisch feiern wie den Olympiasieg von Peking. «Den Erfolg erstmalig zu erringen, ist das eine. Das zu wiederholen, ist fast die größere Leistung. Ich glaube, dass es schwierig wird», sagte er.

Die 26 Jahre alte Hennig hatte zuletzt immer wieder mit Krankheiten zu kämpfen, steht aber mehr denn je im Fokus der Öffentlichkeit. «Es geht peu à peu immer weiter nach vorne. Es ist schön zu sehen, dass sich hartes, konsequentes Training auszahlt. Wir marschieren Schritt für Schritt in die richtige Richtung», sagte Hennig der Deutschen Presse-Agentur. Nach eigener Aussage ist sie noch stärker in den Blick ihrer Konkurrentinnen geraten. «Man ist einfach mehr mittendrin. Mein Name wird öfter genannt. Das ist natürlich ein schöner Nebeneffekt.» Auf konkrete Medaillenziele in Slowenien will sie sich nicht festlegen.

Anders als im Weltcup präsentiert sich der Langlauf-Sport bei der WM auf großer Bühne inklusive TV-Präsenz. Doch das klassische Fernsehen ist für Hennig, Victoria Carl und Co. nur einer von mehreren Wegen, um für sich zu werben. Um mehr Kinder und Jugendliche zum Langlauf zu bringen, setzen die heutigen Athletinnen und Athleten vor allem auf Social Media. «Es spielt eine große Rolle, wie ihre Idole kommunizieren», beschreibt Schlickenrieder.

Kontakt via Social Media

Als der heute 53-Jährige noch aktiv war, seien die Olympia-Stars aus dem Fernsehen für die künftigen Langlauf-Talente unerreichbar gewesen – das ist mit Facebook und Instagram inzwischen einfacher. Die Sportlerinnen und Sportler pflegen intensiv die eigenen Social-Media-Kanäle, per Direktnachrichten können die Jugendlichen Fragen loswerden. «Das kostet schon richtig Zeit, man muss da die richtige Balance finden. Aber der direkte Kontakt und das Unmittelbare sind wichtig für die Zukunft unserer Sportart», sagte Schlickenrieder.

Ein weiterer Baustein des Ganzen sei Erfolg. Der war bei Olympia 2022 gegeben wie lange nicht mehr und soll – aller Bescheidenheit bei der Formulierung der WM-Ziele zum Trotz – möglichst kein Einzelfall bleiben.

Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa