Mick Schumacher zieht die Augenbrauen zusammen. Voll konzentriert verfolgt der 23-Jährige hinter der Streckenbegrenzung die Ausfahrten von Lewis Hamilton und George Russell bei den Formel-1-Tests in Bahrain. Voll konzentriert lauscht Schumacher später den Ingenieuren bei der Auswertung der Daten in der Mercedes-Box.
Der Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher musste in der Königsklasse des Motorsports seine Rolle wechseln. Nach zwei Jahren beim US-Team Haas wurde er als Stammfahrer abserviert und zu dieser Saison durch Landsmann Nico Hülkenberg ersetzt. Seine neue Heimat: Mercedes. Vermutlich eine Zwischenstation. Vielleicht sogar ein Katapult für seine Karriere.
«Es ist irgendwo schwierig, weil ich selbst fahren möchte. Ich verstehe aber meine Rolle und meine Aufgaben. Ich weiß, dass sie sehr wichtig für das Team sind», erzählte Schumacher nach seinem Wechsel aus dem Stammcockpit in den Simulator. «Ich habe die Erfahrung aus dem Cockpit des Vorjahres und weiß genau, wie sich das Auto anfühlen muss. Ich kann dem Team mit meinem Feedback helfen.»
Gnadenlose Formel 1
Schumacher hat ein Jahr hinter sich, an dem man zerbrechen könnte. So gnadenlos kann die Formel 1 sein. Bei Haas bekam der ehemalige Formel-2-Champion schließlich fast in Dauerschleife vorgehalten, was seine Totalschäden in Saudi-Arabien und Monaco für den klammen Rennstall zu bedeuten hätten. Und absehbar für seine Zukunft. Man muss mental schon sehr robust sein, um unter ständigen Drohungen, nur ja nichts zu zerstören, weiter an sich und sein Potenzial zu glauben.
«Wie er mit den Problemen des letzten Jahres umgegangen ist als ein Fahrer, der nie ein schlechtes Wort über das Team verloren hat, das zeigt den wahren Profi», meinte der frühere Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. «Er hat das Potenzial, ein richtig Guter zu werden.»
Haug kennt noch Micks Vater. In die Mercedes-Zeit des ehemaligen Journalisten fällt das Formel-1-Comeback des siebenmaligen Weltmeisters von 2010 bis 2012. «Dass mein Papa hier gefahren ist, macht die Sache noch spezieller», versicherte der Sohn.
Wertschätzung von Mercedes-Teamchef
Speziell ist auch die Verbindung zu Toto Wolff. Der Teamchef von Mercedes machte von Anfang deutlich, wie sehr er ihn schätzt. «Ich glaube, dass wenn man ihm eine sichere Umgebung geben kann, um sich weiter zu entwickeln, dann kann er künftig ein guter Rennfahrer mit Stammcockpit sein», befand Wolff, der Schumacher zurück ins Stammcockpit führen will. «Mick wird eine Bereicherung sein.»
Wolff sieht den Niederländer Nyck de Vries als ein Vorbild für Schumacher, der Ersatzfahrer bei Mercedes war und in dieser Saison ein festes Cockpit bei Alpha Tauri bekommen hat. «Er wird seinen Weg gehen», sagte der frühere Formel-1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone zuversichtlich der Deutschen Presse-Agentur über Mick Schumacher.
«Ich finde, für das Team und Mick ist es eine Win-win-Situation», meinte Ralf Schumacher, früher selbst Formel-1-Fahrer und Onkel von Mick. «Eine weitere Saison mit festem Cockpit wäre natürlich grundsätzlich besser gewesen, weil das Fahren immer noch das Beste für die Weiterentwicklung ist. Andererseits: Bei Haas fehlte ihm die notwendige Unterstützung, da wäre es sehr schwer für ihn geworden.»
Wenn Haas ein Stahlbad war, soll Mercedes zum Inkubator werden. «Die Herangehensweise hier ist super professionell. Es ist toll, mit den Ingenieuren und Fahrern zu reden und von ihnen zu lernen», sagte Mick Schumacher, der bei allen Grand Prix vor Ort sein wird. «Für mich ist das großartig, weil ich mich selbst weiterentwickeln kann.»
Natürlich wünscht sich Schumacher, den W14 auch selbst auf der Strecke zu fahren. «Das ist meine Hoffnung», sagte er. Dafür müssten aber Hamilton oder Russell ausfallen. Zugriff auf Schumacher hat aber auch McLaren, das von Mercedes mit Motoren beliefert. Das erhöht natürlich die Chancen auf einen Aushilfsjob an einem Grand-Prix-Wochenende.
2024 will Schumacher aber wieder ein Stammcockpit haben. Voraussichtlich jedoch nicht bei Mercedes. Hamilton will seinen Vertrag bei Mercedes verlängern, Russell ist langfristig gebunden. «Es ist mein Ziel, wieder in der Formel 1 zu fahren», betonte Schumacher. «Wann Gespräche anfangen, wann welches Team, das wird sich wahrscheinlich im Laufe der nächsten Wochen und Monate zeigen.»