Boris Herrmanns Ocean-Race-Fazit: «Tolle Teamerfahrung»

Die letzten Stunden vor der Zielankunft in Genua wurden für die auf drei Boote geschrumpfte Segelflotte des 14. Ocean Race zum Geduldsspiel.

Ganz anders als auf den oft sturmumtosten sechs Etappen über die Weltmeere zuvor dümpelten Boris Herrmanns Team Malizia und seine Konkurrenten Biotherm und Holcim-PRB bei leichten Winden dem italienischen Hafen entgegen. Es war das ruhige Ende nach einem 32.000 Seemeilen (etwa 60.000 Kilometer) langen und fast 100 Tage währenden Kampf gegen Naturgewalten, gegen Sturm und Wellen.

Für Herrmann war das Ergebnis der siebten Etappe ohnehin zweitrangig. An seinem dritten Platz in der Gesamtwertung würde sich nichts mehr ändern. Über die endgültige Besetzung des Ocean-Race-Podiums soll wegen der Kollision zwischen Team Guyot und dem US-Team 11th Hour Racing nach Anhörung aller Teams am Donnerstag in Genua die Jury entscheiden.

Herrmann zieht positive Bilanz

Der 42 Jahre alte Hamburger Weltumsegler zog schon vor der Zielankunft eine Bilanz. Und die fiel positiv aus. Zwar war er nicht siegreich, aber sehr zufrieden. «Es war eine tolle Teamerfahrung. Wir haben sehr gut harmoniert und nicht sehr viele Fehler gemacht», sagte Herrmann. Unvergessen bleibt dem Südmeer-Liebhaber die Kap-Hoorn-Königsetappe von Kapstadt nach Itajá.

«Ich habe lange davon geträumt, am Ocean Race teilzunehmen und diese historisch längste, unglaubliche Etappe durchs Südpolarmeer zu absolvieren», sagte Herrmann. «Dass wir sie nach allen Schwierigkeiten, die wir am Anfang hatten, nicht nur beenden, sondern auch gewinnen konnten, war die Krönung.»

Sein Team lag trotz eines Risses an der Spitze des Mastes und einer waghalsigen Reparatur-Aktion in 28 Meter Höhe auf See am Ende vorn. Kurz vor dem Ziel verletzte sich auch noch Crewmitglied Rosalin Kuiper. Die einzige Frau in der Ocean-Race-Flotte, die alle Etappen absolvierte, war aus der Koje gefallen.

Erstmals wurden bei dieser Auflage der Regatta um die Welt Imoca-Jachten eingesetzt. Den bis zu 18 Meter langen Booten bescheinigt Herrmann eine aussichtsreiche Zukunft im Ocean Race. Fünf Boote bildeten das Starterfeld. «Die Imocas sind gekommen, um zu bleiben. Sie haben sich stark bewährt. Es gab fast keine negativen Überraschungen», meinte er.

Mastbrüche habe es auch bei früheren Rennen schon gegeben. Den beiden Mastbrüchen von Team Holcim-PRB und Team Guyot auf der vierten Etappen lägen «keine großen Konstruktionsfehler», sondern Materialversagen von einzelnen Bauteilen zugrunde. «Imoca-Masten sind schon sehr solide», sagt der fünfmalige Weltumsegler.

Vorfreude auf Vendée-Globe-Start

Das eigene Boot «Malizia – Seaexplorer», das ihn nach weiteren Regatten 2024/25 mit der Vendée Globe noch einmal solo und nonstop um die Welt tragen soll, bezeichnet Herrmann als «gut». «Wir haben immer noch nicht ganz verstanden, wie wir alles perfekt machen können, weil man lange mit einem neuen Boot lernt. Aber das Schiff ist auch bei Leichtwind gut, nicht schwerer als die anderen.»

Für seinen zweiten Vendée-Globe-Start sieht sich Herrmann bestens aufgestellt: «Ganz ehrlich: Ich würde mit keinem der anderen Schiffe überhaupt in Erwägung ziehen, bei der Vendée Globe zu starten.»

Auch eine weitere Ocean-Race-Kampagne kann sich der Familienvater sehr gut vorstellen: «Wir wollen gerne wieder dabei sein. Wir können jetzt noch keine offizielle Kampagne ankündigen, aber ich würde das vorsichtige Zwischenfazit ziehen, dass wir sehr, sehr wahrscheinlich hoch motiviert daran arbeiten werden, wieder an den Start zu gehen.»

Das 15. Ocean Race findet 2026/27 statt. Es ist damit zu rechnen, dass sich die Teilnehmerzahl bis dahin im zuverlässigen Wechsel mit dem Einhandabenteuer Vendée Globe für das Ocean Race verdoppeln könnte. Dazu könnte Kiel nach dem gelungenen Fly-by als neuer Etappenhafen dazukommen. Herrmanns Urteil: «Kiel ist prädestiniert dafür.»

Für den gebeutelten «Guyot»-Co-Skipper Robert Stanjek war die Stippvisite in Kiel Anfang Juni vor Tausenden Zuschauerinnen und Zuschauern in jedem Fall die schönste Erinnerung an das Ocean Race. «Das ist der i-Punkt des Rennens», hatte der Berliner damals gemeint. Die Einfahrt nach Genua erlebte er – anders als Herrmann – nach seiner Kollision mit 11th Hour Racing kurz nach dem Start der siebten Etappe nicht mehr.

Von Tatjana Pokorny, dpa