Verständnis für Proteste: Der Hamilton-Kurs in der Formel 1

Lewis Hamilton stellt nur eine Bedingung, ansonsten befürwortet der Superstar der Formel 1 sogar mögliche Aktionen von Umweltaktivisten bei seinem Heimrennen.

Stolz posierte er vor Jahren noch vor seinem roten Privatjet. Nicht selten gab es auch Fotos in den sozialen Netzwerken mit Protzautos. Längst aber nutzt Hamilton seine Berühmtheit und die Plattform Formel 1 für den Kampf für Menschenrechte, für Gleichbehandlung und Diversität – und eben auch für Nachhaltigkeit. «Ich unterstütze friedlichen Protest», sagt er nun ausdrücklich vor dem Großen Preis von Großbritannien. 

F1 ist auf Protest-Aktionen vorbereitet

Nach Aktionen unter anderem beim Tennis-Klassiker in Wimbledon hat sich die Königsklasse des Motorsports vorbereitet. Rund 100 Streckenposten seien zusätzlich im Einsatz, meinte Hamilton. Denn eines will er und will keiner der Verantwortlichen noch einmal sehen und erleben: Dass Aktivisten wie vor einem Jahr über die Zäune klettern und sich auf die Strecke setzen, während das Rennen läuft. «Wir wollen nicht, dass sie sich gefährden und wir wollen nicht, dass irgendjemand anderes gefährdet wird», betont Hamilton: Sicherheit habe oberstes Gebot. Das sagen auch Kollegen, nur befürworten diese nicht in der Klarheit den generellen Protest.

Hamilton kann es sich erlauben, er macht es auch einfach. Er nimmt die Anliegen und politischen Forderungen der Umweltaktivisten ernst. Er und das Mercedes-Team würden daran glauben, wofür diese Menschen kämpfen würden, sagte er sogar und wies auch auf die Veränderungen hin, die die Formel 1 selbst durchlaufe. 2026 sollen die Autos beispielsweise zur Hälfte elektrisch angetrieben werden, der Treibstoff so zu 100 Prozent nachhaltig sein.

Hamilton ernährt sich schon seit Längerem vegan, den Privatjet hat er vor vier Jahren verkauft. Statt hochmotorisierter Luxuskarossen postet er eher Fotos von Krisengebieten oder verheerenden Naturereignissen. Vorwürfen der Heuchelei, dass ausgerechnet ein viel reisender Formel-1-Pilot sich für die Umwelt einsetzt, muss sich Hamilton dennoch immer wieder anhören. 

Hamilton: «Proteste regen Gespräche an»

Von seinem Weg, der trotz des noch immer nicht unterzeichneten neuen Vertrages bei Mercedes auch nach dieser Saison in der Formel 1 weitergehen soll, lässt er sich aber nicht abbringen. Stattdessen bekräftigt er mit Blick auf möglichen Aktionen der Gruppe Just Stop Oil am Wochenende in Silverstone: «Proteste regen Gespräche an, das führt zum Dialog und das hilft oft. Manchmal, wenn man es auf dem richtigen Weg macht, löst es Veränderung aus. Und wir brauchen mehr Veränderung.» So wie Hamilton selbst sich veränderte seit seinem Einstieg 2007 als erster Schwarzer, und zu dem wurde, was Kollege und Rivale Charles Leclerc von Ferrari «mehr als ein Fahrer» nannte. 

Wo Hamilton auftaucht, rasten die Fans aus. Wo er ist, fällt der Mode-Liebhaber und Hobby-Designer auf, was nicht nur an seinem treuen Begleiter namens Roscoe liegt, einer Bulldogge mit eigenem Instagram-Konto. Hamilton ist auch Berater eines spektakulären Formel-1-Film-Projekts, Hauptdarsteller Brad Pitt kennt er bestens. Mit Showstars und Supersportlern ist Hamilton auf Du und Du.

Doch in Silverstone erinnert sich Hamilton auch wieder an die Anfänge, an die Träumereien als kleiner Bub, aufgewachsen in Stevenage rund 90 Kilometer entfernt. Der Vater, eingewandert aus Grenada in der Karibik, nahm zusätzliche Jobs an. Der Bruder kam mit infantiler Zerebralparese auf die Welt. Wer die beiden zusammen sieht, erlebt, wie nahe sie sich stehen. Nicolas sei für ihn eine Inspiration, sagt Lewis Hamilton. Jüngst schaute er sich nahezu vermummt, um unerkannt zu bleiben, ein Rennen seines sieben Jahre jüngeren Bruders in Donington Park an.

An diesem Wochenende aber steht Lewis Hamilton im Fokus. Und es wird für den 38 Jahre alten 103-maligen Grand-Prix-Gewinner auch eine emotionale Zeitreise. «Ich muss 13 oder 14 gewesen sein», erinnert er sich an seinen ersten Besuch eines Formel-1-Rennens in Silverstone. «Ich habe hinter der Garage gestanden und davon geträumt, eines Tages in so einem Auto zu sitzen.»

Von Jens Marx, dpa