Verletzungsschreck für Mihambo vor WM – Rekord für Hartmann

Plötzlich wurden die Leichtathletik-Fans im Kasseler Auestadion ganz still und schauten mit bangen Blicken zur Gegengeraden auf die verletzte Malaika Mihambo.

Dort saß die Olympiasiegerin und zweimalige Weltmeisterin am Boden, hielt sich einen Eisbeutel an den lädierten Oberschenkel. Nach ARD-Informationen soll sie einer ersten Diagnose zufolge einen Muskelfaserriss erlitten haben. Der siebte deutsche Meistertitel mit 6,93 Metern, die Mihambo der nationalen Konkurrenz im ersten Versuch vorgesetzt hatte, war am Sonntag nebensächlich.

Wie der Deutsche Leichtathletik-Verband am Abend nach einer ersten Ultraschall-Untersuchung mitteilte, hat Mihambo eine Verhärtung im lädierten Oberschenkel erlitten, aber keinen Riss. Genauen Aufschluss sollen weitere Untersuchungen in den kommenden Tagen ergeben.

Am Himmel braute sich Ungemach zusammen, als die einzige deutsche Weltmeisterin von 2021 sechs Wochen vor dem WM-Start in Budapest ihren Anlauf zum vierten Versuch mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht abbrach. Wenig später war der Wettkampf für sie vorzeitig beendet und die gute Stimmung an der Weitsprunggrube und vermutlich auch bei der deutschen Verbandsspitze wie weggeblasen. Mihambo hatte sich um gleich 27 Zentimeter in diesem Jahr gesteigert und für eine deutsche Jahresbestleistung gesorgt.

Hartmann sorgt für Stimmung

Für besser Stimmung sorgte wenig später Joshua Hartmann mit seinem deutschen Rekord über 200 Meter. Der Kölner stürmte in 20,02 Sekunden zum Titel und wäre wohl sogar der erste deutsche Sprinter mit einer Zeit unter 20 Sekunden gewesen, hätte er nicht frühzeitig gejubelt.

«Hätte ich das gewusst, hätte ich den Arm nicht rausgetan. Ich weiß noch nicht, wie ich feiern werde, aber bestimmt ein bisschen», sagte Hartmann. Der 24-Jährige war deutlich schneller als der bisherige Rekordhalter Tobias Unger, der im Jahr 2005 20,20 Sekunden gesprintet war.

Diskuswerfer Christoph Harting verbuchte sieben Jahre nach Olympia-Gold in Rio einen Achtungserfolg und belegte mit 62,87 Metern Rang drei. Harting hatte zuletzt Depressionen öffentlich gemacht. Für einen WM-Start dürfte der 33-jährige Berliner indes nicht infrage kommen.

Auf dem Weg Richtung WM machten andere deutsche Stars im heißen Auestadion zuvor Mut. Doppel-Europameisterin Gina Lückenkemper möchte in Budapest endlich in den Endlauf, weil sie von ihrem bisherigen Einzel-Abschneiden «die Nase gestrichen voll» hat, wie die 26-Jährige zugab. 

Dafür muss sie aber wohl schneller laufen als beim überlegenen Finalsieg am Samstag. «Mir ist klar, dass ich dafür eine Schippe drauflegen muss auf das, was ich heute gezeigt habe. Aber ich traue mir das zu», sagte Lückenkemper. «Ich habe eben meinem Trainer eine Nachricht geschrieben, in der stand, dass sich der Lauf für 11,03 Sekunden viel zu leicht angefühlt hat.»

Noch ein Titel für Lückenkemper

Am Sonntag holte Lückenkemper mit ihren Kolleginnen vom SCC Berlin noch den nationalen Staffel-Titel. Auch die EM-Zweite Lea Meyer wurde Doppelmeisterin, erst über 5000 Meter und dann über ihre Spezialdisziplin 3000 Meter Hindernis.

Am verheißungsvollsten waren im internationalen Maßstab die 88,72 Meter von Speerwerfer Julian Weber, der damit zur Weltspitze zählt. Der 28-Jährige war nicht einmal ganz zufrieden, weil es wieder nicht für den ersten 90-Meter-Wurf reichte. «Es kann alles noch ein bisschen stimmiger werden, dann kann es noch deutlich weiter gehen», sagte der Europameister.

Die Olympia- und EM-Zweite Kristin Pudenz überzeugte mit 65,98 Metern im Diskus und ist zuversichtlich, nach zwei elften WM-Plätzen diesmal in Budapest vorn dabei zu sein. An einem optimalen Tag könnte dies auch Stabhochsprung-Meister Bo Kanda Lita Baehre gelingen. 

Ob beim Saisonhöhepunkt in Ungarns Hauptstadt mit Konstanze Klosterhalfen zu rechnen ist, bleibt eine weitere Frage, die neben Mihambos Blessur den deutschen Verband beschäftigen dürfte. Der DLV zeigte sich überrascht von der kurzfristigen Absage für Kassel wegen Fußproblemen, wo die zuletzt formschwache 5000-Meter-Europameisterin über 800 Meter antreten wollte.

Von Robert Semmler und Christian Kunz, dpa