Nach dem ersten Frust schöpfte Georg Zimmermann wieder etwas Mut. «Mein Ziel ist, in meiner Karriere eine Tour-Etappe zu gewinnen. Wenn es erst in zehn Jahren so weit ist, dann ist das auch okay, solange es klappt», sagte Zimmermann und konnte über den zweiten Platz leicht lächeln.
Im packenden Finale der zehnten Etappe der Tour de France musste sich der deutsche Radprofi im Sprint einer Ausreißergruppe nur dem Spanier Pello Bilbao geschlagen geben.
Eine kleine Selbstüberschätzung kostete Zimmermann letztlich den größten Erfolg seiner Karriere. «Ich bin einen zu dicken Gang getreten, das war vielleicht ein Fehler», sagte der 25-Jährige. «Man darf bei der Tour de France keine Chance liegen lassen, weil es super schwer ist, die Chance zu bekommen, etwas abzustauben.»
Sieger Bilbao lobte Zimmermann
Bei der Hitzeschlacht im Zentralmassiv verpasste der Augsburger den Tagessieg um wenige Meter. «Die Enttäuschung, das größte Ziel meiner Karriere verpasst zu haben, ist momentan größer als die Freude über den zweiten Platz», sagte Zimmermann im Zielort Issoire.
Bei Temperaturen von bis zu 43 Grad und einer welligen Strecke mit mehr als 3000 Höhenmetern holte sich der Australier Ben O’Connor den dritten Platz. «Ich wusste, dass Bilbao schnell ist, ich habe gegen ihn in Stuttgart schon mal einen Sprint verloren», fügte er hinzu. Der hitzefeste Bayer startete knapp einen Kilometer vor dem Ziel einen Angriff, wurde aber noch von Bilbao überholt.
Der Sieger lobte die Attacke des Deutschen. «Ich habe auf den richtigen Moment gewartet, bis jeder am Limit war», erklärte der 33-Jährige vom Team Bahrain-Victorious. Seinen Erfolg widmete er seinem ehemaligen Team-Kollegen Gino Mäder, der bei der Tour de Suisse nach einem schweren Sturz kürzlich gestorben war.
Nach seinem sensationellen Etappensieg beim Critérium du Dauphiné Anfang Juni schaffte Zimmermann, der zum dritten Mal an der Frankreich-Rundfahrt teilnimmt, seine bisher beste Tour-Platzierung. 2022 war er ebenfalls auf der zehnten Etappe Sechster geworden.
Vingegaard und Pogacar weiterhin im Zweikampf
Der Däne Jonas Vingegaard blieb in der Gesamtwertung ohne Zeitverlust. Der Vorjahressieger hatte bei der vorherigen Etappe acht Sekunden auf Tadej Pogacar eingebüßt. Nur 17 Sekunden betrug der Vorsprung auf den Slowenen vor der zehnten Etappe. Bora-Kapitän Jai Hindley blieb mit 2:40 Minuten Dritter hinter Vingegaard, der deutsche Meister Emanuel Buchmann ist weiter 13. der Gesamtwertung.
Nach dem Aufstieg zum legendären Vulkan Puy de Dôme am Sonntag und dem ersten Ruhetag hielten die Radprofis den Feuerbergen die Treue. Auf der welligen Strecke ließen sich die Topfahrer Vingegaard und Pogacar von Anfang an keine Verschnaufpause und verfolgten nach wenigen Kilometern eine Ausreißergruppe.
Das Hauptfeld zersplitterte später in mehrere kleine Gruppen. Zimmermann attackierte 131 Kilometer vor dem Ziel und schloss sich einer siebenköpfigen Führungsgruppe an. Er wirkte trotz der beißenden Hitze noch auf den letzten Kilometern frisch und schlagkräftig, im Ziel nagte dann aber der anstrengende Tag an ihm. Vor dem Rennen waren schwere Unwetter befürchtet worden, die aber bis zum Ende der Etappe ausblieben. Feuerwehrfahrzeuge fuhren stattdessen über die Strecke und erfrischten die Fans mit Wasser.
Am Mittwoch dürften auf der elften Etappe die Sprinter gute Chancen haben. Nach einem hügeligen Beginn auf den 179,8 Kilometern zwischen Clermont-Ferrand und Moulins wird es in Richtung Ziel deutlich flacher. Phil Bauhaus wird nach seinem zweiten Platz auf der dritten Etappe und dem dritten Rang einen Tag später den nächsten Angriff auf einen Etappensieg starten.