Als das Unglück passierte, waren auch mehrere EM-Reiter vor Ort. Knapp vier Wochen vor der am Donnerstag beginnenden Europameisterschaft wurde beim Turnier in Jardy das Risiko noch einmal in Erinnerung gerufen: Die Vielseitigkeit ist mit dem Geländeritt die gefährlichste Pferdesport-Disziplin. Dabei war es im Fall von Valentine nicht einmal ein spektakulärer Sturz. Das Pferd der Reiterin Nadine Marzahl zog sich Mitte Juli bei dem Turnier in Frankreich einen unheilbaren Trümmerbruch zu und musste eingeschläfert werden.
Lauterbach: «Jeder Unfall ist einer zu viel»
Die Sorge um die Pferde ist ein steter Begleiter dieser olympischen Sportart, genau wie die Angst vor schweren Stürzen. «Jeder Unfall ist einer zu viel», sagt Soenke Lauterbach im Vorfeld der EM im französischen Nationalgestüt Haras du Pin. Der Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) gibt aber auch zu: «Es wird uns nie gelingen, das Risiko komplett auszuschalten.»
Auch den Reitern ist diese Gefahr ihres Sportes bekannt, die mit jedem tödlichen Vorfall wieder etwas mehr ins Bewusstsein rückt. «Jeder reagiert anders, einige emotionaler», sagte Bundestrainer Peter Thomsen. Wie lange es dauert, ein Unglück wie das von Nadine Marzahls Valentine zu verarbeiten, sei sehr unterschiedlich. «Je näher man Pferd und Reiter steht, desto länger dauert es», sagt er.
Was die EM angeht, macht sich Thomsen keine Sorgen um sein Team. «Im Wettkampf sind alle fokussiert», betont der Bundestrainer. Die Angst darf nicht mitreiten, soll das heißen. Während der Ritte über Stock und Stein und durch Wasser-Hindernisse müssen die Reiter die Gefahr ausblenden. Der Generalsekretär erklärt: «Unseren Kader-Reitern steht eine psychologische Betreuung zur Verfügung. Wer das möchte, kann das in Anspruch nehmen.»
Abgesehen von der EM gilt nach Lauterbachs Worten für die Vielseitigkeit generell: «Wir haben seit vielen Jahrzehnten einen großen Fokus darauf, alles zu tun, um Unfälle zu vermeiden.» Der Deutsche Reit-Verband bemühe sich intensiv darum, die Vielseitigkeit sicherer zu machen. Seit 2013 gibt es eine «Task Force Sicherheit Vielseitigkeit».
Auch der Weltverband FEI hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, so sind unter anderem die Geländestrecken in den zurückliegenden Jahren entschärft worden. Es gibt vermehrt Sicherheitshindernisse, die sich beim Aufprall aus der Verankerung lösen. So werden nach FEI-Angaben in erster Linie Rotationsunfälle verringert, bei denen die Pferde auch auf den Reiter stürzen können.
Bemühungen zur Risikominimierung
Wie die Sicherheitsbemühungen tatsächlich helfen, lässt sich an Zahlen des Weltverbandes schwer ablesen, sie schwanken zu stark. 2021 gab es laut einer Statistik der FEI bei internationalen Turnieren neun tote Pferde, im Jahr zuvor waren es hingegen – genau wie etwa 2017 – nur vier.
«Jeden einzelnen Fall schauen wir uns genau an und analysieren, ob wir noch mehr Lehren daraus ziehen können», betont der deutsche Generalsekretär. «Das ist ein Prozess, der immer weitergeht.» Die Bemühungen zur Risikominimierung «machen wir aus Tierschutzgründen, aber auch, um die Athleten zu schützen», sagt Lauterbach.
Denn auch für die Vielseitigkeitsreiter selber kann ein Sturz fatale Folgen haben. Rein rechnerisch, so hat die FEI in ihrem «Risk Management Programme» von 2011 bis 2022 festgestellt, endet jeder 27 855. Sturz im Gelände für Menschen tödlich.