Schachspielerin: Weltverband ignoriert Sexismus gegen Frauen

Nach Aussage der französischen Schachspielerin und Trainerin Yosha Iglesias (35) ignoriert der Weltverband Fide weiter das Thema Sexismus und sexuelle Übergriffe gegen Frauen im Schachsport.

Auf den Offenen Brief, den sie und 13 französische Frauen in der vergangenen Woche veröffentlichten, habe es bisher keine Reaktion gegeben. «Die Verantwortung bei der Fide tragen weiterhin Männer, denen das Thema völlig egal ist. Ich weiß nicht, ob dort Wunschdenken oder Leugnung herrscht», sagte Iglesias der «Süddeutschen Zeitung». Der Weltverband äußerte sich auf dpa-Anfrage zunächst nicht.

In dem Offenen Brief prangerten die Initiatorinnen sexistisches Verhalten von männlichen Kollegen an. Mittlerweile haben mehr als 100 unterschrieben, darunter auch die prominente Großmeisterin Susan Polgar, die ehemalige US-Meisterin Jennifer Shahade und die deutsche Nationalspielerin Annmarie Mütsch.

Nur wenige Wochen nachdem Fälle sexueller Gewalt im US-Schach bekannt wurden, hielt die Fide einen Workshop mit dem Titel «Schach ist ein Safespace für Frauen» ab. «Das war eine Beleidigung für so viele Frauen», sagte Iglesias. Shahade hatte Anfang des Jahres dem Großmeister Alejandro Ramírez aus Costa Rica «sexuelles Fehlverhalten» vorgeworfen. Der Schachverband der USA hat ihn mittlerweile ausgeschlossen.

Für Teenager gebe es kaum ein sexistischeres Umfeld als Schach, so Iglesias. «Nicht weil männliche Schachspieler im Durchschnitt besonders schlechte Menschen sind, sondern weil sich ein Mädchen unter 100 Männern immer mindestens dumme Kommentare anhören muss und manchmal noch viel Schlimmeres erleidet», sagte sie.

Im von Männern dominierten Schachsport gibt es zwar einige reine Frauen-Turniere, aber die meistern sind offen. «In kaum einer anderen Sportart kann es passieren, dass ein Mädchen im jugendlichen Alter gegen einen 50-jährigen Mann antritt. Fälle von sexueller Gewalt gibt es natürlich auch in vielen anderen Sportarten, aber dass junge Mädchen eine Woche lang beinahe ausschließlich von teils deutlich älteren Männern umgeben sind, das gibt es nur im Schach», sagte die Französin.

In ihrer Heimat gebe es einen großen Rückgang von Schachspielerinnen im Jugendalter. Bis zwölf Jahre seien Mädchen zu etwa 35 Prozent vertreten, dann nehme die Zahl drastisch ab. «Einer der Hauptgründe, wenn nicht der Hauptgrund dafür, ist sexistische und sexuelle Gewalt, ja», erklärte Iglesias, die als Transfrau selbst Anfeindungen ausgesetzt war.