Keine schwere Verletzung bei Wagner – Einsatz offen

Am Tag nach dem Verletzungsschock um Hoffnungsträger Franz Wagner zogen dunkle Wolken über die japanische Trauminsel. Regen prasselte um die Mittagszeit aufs Teamhotel der deutschen Basketballer. Die zeitweise düstere Szenerie in Okinawa passte zur angespannten Gemütslage, die trotz des sportlich problemlosen WM-Auftaktsiegs über Japan herrschte.

«Das ist natürlich eine scheiß Situation. Er ist einer der wichtigsten Spieler für uns. Es wäre sehr wichtig, wenn er spielt», sagte Johannes Thiemann über Wagner, der seinen 22. Geburtstag am Sonntag sehr gerne auf dem Parkett gegen Mitfavorit Australien (10.30 Uhr/Magentasport) verbringen würde.

Doch die geplante Rückkehr wird ein Wettlauf gegen die Zeit. Wagner knickte beim 81:63 gegen den Gastgeber um und wurde nachts im Krankenhaus noch untersucht. «Es ist nichts gebrochen und nichts Schlimmeres gerissen. Also keine Dinge, die die WM beenden würden», sagte Teamarzt Oliver Pütz. Eine genauere Diagnose sollte die MRT-Untersuchung bringen. Das Mannschaftstraining am Samstag war ohne den Profi der Orlando Magic geplant, ein Einsatz gegen den ambitionierten Olympia-Dritten blieb zunächst offen. «Wir lassen den Fuß erst einmal in Ruhe», fügte Teamarzt Pütz an.

Herbert wird zwei Pläne vorbereiten

Bundestrainer Gordon Herbert muss für das vorgezogene Finale um den Gruppensieg gegen Australien womöglich improvisieren. «Wir haben zwei Pläne, wir müssen beide Fälle vorbereiten. Es könnte anderen Spielern die Chance geben, eine größere Rolle zu spielen», erklärte der Kanadier. Die Knöchelverletzung, die schnell ein deutlich größeres Thema wurde als der solide WM-Aufgalop, beschäftigte Herbert nach eigenen Aussagen bis in den Schlaf. Denn er hatte überlegt, Wagner angesichts der deutlichen Führung auszuwechseln.

«Ich hatte viereinhalb Stunden Schlaf. Letzte Nacht war ich wirklich bedient. Ich habe darüber nachgedacht, ob wir Franz früher aus dem Spiel hätten nehmen sollen. Das schlug mir aufs Gemüt. Im Nachhinein sind wir schlauer», sagte Herbert. Ein Ausfall würde dem Deutschen Basketball Bund (DBB) große Sorgen bereiten, schließlich ist der offensiv vielseitige Wagner neben Dennis Schröder der wichtigste Spieler. Co-Kapitän Johannes Voigtmann sagte: «Das ist natürlich ein Rückschlag für uns. Wir haben große Ziele und in unseren Plänen spielt er eine große Rolle. Wenn er nicht fit wird, müssen wir andere Lösungen finden.»

Seit der Jungstar im Vorjahr sein Debüt für Deutschland feierte, spielt das Nationalteam auf einem anderen Level. Aus einem ambitionierten Team wurde ein Medaillenanwärter, der bei der Heim-EM direkt Bronze holte. Wagner sieht sich schon nach zwei Jahren in der NBA und etwas mehr als 20 Länderspielen mit Superlativen konfrontiert. Bayerns Geschäftsführer Marko Pesic sieht in ihm den «legitimen Nachfolger von Dirk Nowitzki», wie er bei Magentasport sagte.

Lobeshymnen für Wagner

«Ich vergleiche die beiden nicht, aber er ist seit Dirk das größte Talent. Der beste Spieler, den wir haben, wenn man das Gesamtpaket anschaut», sagte Pesic, der für den gebürtigen Berliner eine rosige Zukunft sieht. «Er wird die nächsten zehn Jahre, wenn er gesund bleibt, das machen können, was Dirk Nowitzki gemacht hat. Das Gefühl für das Spiel ist überragend.» Nowitzki hatte im Nationalteam neben EM-Silber 2005 auch WM-Bronze 2002 geholt und – ein deutlich weniger talentiertes Team als jetzt – zur Olympia-Teilnahme in Peking 2008 geführt.

Für solche Zukunftsszenarien hat Wagner aktuell keine Zeit – und keinen Kopf. Für ihn zählt Australien, das Schlüsselspiel in der WM-Gruppe E. «Für ihn ist es eine Ehre, im Nationalteam zu spielen. Er will unbedingt spielen», sagte Herbert. Die Entscheidung fällt nicht nur bei Wagner und dem deutschen Verband, sondern auch in Absprache mit den Orlando Magic, die Wagners monatliches Gehalt bezahlen und ihr Okay geben müssen.

Ein Erfolg über Patty Mills und Co. würde Deutschland einen riesigen Schritt in Richtung Endrunde in Manila bringen. Das Erreichen der Zwischenrunde wäre schon nach zwei Spielen quasi perfekt, für den Gruppensieg bräuchte es nur noch einen Pflichtsieg über Finnland am Dienstag. Die Profis und vor allem Coach Herbert haben explizit eine Medaille als Ziel für die Endrunde ausgegeben. Dafür wird es einen fitten Wagner brauchen.

Patrick Reichardt und Lars Reinefeld, dpa