Das Spektakel kulminiert am Freitag mal wieder. Der eigens erdachte Deadline Day ist so etwas wie der Feiertag des Fußballgeschäfts.
Die Branche klopft sich dafür auf die Schulter, möglichst viele Hundert Millionen Euro umgesetzt und in letzter Sekunde den Fans doch noch den neuen Star präsentiert zu haben. Experten twittern, TV-Sender berichten live, in den Clubs herrscht Hochbetrieb. Das Theater auf dem Transfermarkt ist zu einer Säule geworden, es trägt ein ganzes Geschäftsmodell durch die einst fade Sommerpause.
Einer der größten Akteure hat sogar einen Slogan als Markenzeichen etabliert. Wenn Fabrizio Romano im Kurznachrichtendienst X ein «Here we go» in die Welt schickt, wissen seine über 18 Millionen Follower, dass mal wieder ein Deal perfekt ist. In aller Regel lange bevor in den Presseabteilungen der Clubs überhaupt die Rechner hochgefahren wurden. «Der Transfermarkt hat sich völlig verändert», sagte der Journalist aus Italien einst dem Magazin «11Freunde». Je nach Transfer sind heutzutage bis zu 25 Personen in einen Deal involviert.
Leaks als Gesprächsthema
«Es kann in gewissen Situationen einer der Parteien in die Karten spielen, wenn Informationen öffentlich werden, für andere wiederum kann es die Verhandlungen erschweren», sagte Leipzigs Sportchef Max Eberl der Deutschen Presse-Agentur. «Es ist in der Vergangenheit definitiv geschehen, dass Verhandlungen durchs öffentlich werden ins Stocken geraten und erschwert worden sind.»
Doch die Leaks helfen dem Fußball natürlich, er bleibt Gesprächsthema. In diesem Sommer hat man dank des Kaugummi-Transfers von Superstar Harry Kane zum FC Bayern fast gar nicht mitbekommen, dass die Bundesliga eigentlich in der Sommerpause war. Täglich gab es mehrmals einen angeblich neuen Stand. «Tiefe interessiert nicht mehr. Es interessiert nur die News, die womöglich schon in einer Stunde wieder überholt wird», sagte die Medienwissenschaftlerin Jana Wiske von der Hochschule Ansbach.
Die Manager sind allerdings nicht die größten Fans der Gerüchteküche. «Lose Interessenlagen werden als heiße News verkauft. Ungefilterte Berichterstattung, welche mitunter dazu führt, dass man alle möglichen Erwartungshaltungen managen muss», sagte Sven Mislintat, Technischer Direktor von Ajax Amsterdam, der dpa. Eberl hatte die ständigen Indiskretionen in der «Süddeutschen Zeitung» als Katastrophe bezeichnet. «Manchmal kommt es uns vor, als würden unsere Angebote schon getwittert, bevor wir sie abgeschickt haben», sagte der 49-Jährige.
«Auch ein Stück weit Showbizz»
Den Fan packt diese Katastrophe jedenfalls, was Eberl nachvollziehen kann. Er verschließe nicht die Augen davor, «dass der Fußball auch ein Stück weit Showbizz ist.» Die Webseite transfermarkt.de war im Juli mit 175 Millionen Visits auf Platz elf der meistbesuchten deutschen Webseiten. Der Sender Sport1 hat eine Transfermarkt-Show, Konkurrent Sky sendet zweimal wöchentlich das «Transfer Update».
Um auf der finanziellen Ebene mehr Transparenz zu schaffen, plädieren Eberl und Mislintat für eine Offenlegung aller Zahlen analog zum US-Sport, also auch von Gehältern. «Dann könnte man die sportlichen Leistungen auf dem Platz und im Management anhand der finanziellen Möglichkeiten bewerten», sagte Mislintat.
Den Spielerberater Stefan Backs, zu dessen Klienten Alexander Nübel zählt, stört, dass die Berichterstattung «jegliches Maß» verloren habe – bedingt durch die sozialen Medien. Als Beispiel nannte er die Suche des FC Bayern nach einem neuen Torwart. Gefühlt 15 Kandidaten wurden genannt. Nur der Name des letztlich verpflichteten Daniel Peretz tauchte nicht auf.
Die Bälle werden sich zugespielt
Die Reichweite von Leuten wie Romano wird allerdings von Beratern auch ganz bewusst eingesetzt. Der 30-Jährige gab eine Anekdote zum Besten, als zwei Teams im Rennen um einen Spieler gewesen seien. «Als ich von einem möglichen Angebot des einen Clubs berichtete, rief der andere Verein den Agenten zwei Minuten später an, um den Deal fix zu machen», berichtete Romano.
Wenn sich Berater, Clubs und Medien die Bälle zuspielen, bleiben die Hauptdarsteller auch mal außen vor. «Es ist schon wild, wie gut die teilweise informiert sind und man bekommt es dann auch manchmal an der eigenen Person mit, dass ein Gerücht irgendwo entsteht und man im Nachhinein dann von einem wirklichen Interesse mitbekommt», sagte Nationalspieler Niclas Füllkrug der dpa. «Und das ist schon verrückt, dass die Vereine eher mit anderen Leuten sprechen, als mit den Betroffenen.»