Silber für Lange, Gladiator Frodeno «stirbt in seiner Arena»

Jan Frodeno schlich noch vor der großen Patrick-Lange-Aufholjagd mit verzerrtem Gesicht aus dem Wechselzelt und ging vor seinem letzten Marathon als Triathlon-Profi hinter die Absperrung.

Er drückte seine Frau, seine Mama, klatschte mit dem Vater ab und holte sich mit einem Lächeln Küsschen von den Kindern. Der Traum von der finalen Krönung einer großen Triathlon-Karriere wurde zum sportlichen Albtraum für den 42 Jahre alten Superstar beim Silbercoup von Landsmann Patrick Lange. In seinem letzten Profi-Rennen hatte Frodeno bei der Ironman-WM-Premiere in Nizza mit der Titelvergabe nichts zu tun.

Dafür Lange. «Es war sau hart. Ich wusste, dass das heute der härteste Ironman wird, den ich je gemacht habe», sagte er dem Hessischen Rundfunk. Mit knapp 13 Minuten war er nach den 3,86 Kilometern Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren auf die abschließenden 42,2 Kilometer gestartet. Wie schon so oft zeigte Lange seine außergewöhnlichen Laufqualitäten und schaffte es auf den Vizerang hinter dem Franzosen Sam Laidlow (24). Dritter wurde der Däne Magnus Ditlev (25). Zu dem Zeitpunkt quälte sich Frodeno noch über die Strecke. «Der Gladiator stirbt in seiner Arena», sagte Frodeno schon auf dem Rad zu einem Kameramann des Hessischen Rundfunks.

Frodeno ein «Athlet und Champion höchster Güte»

Nach einem ungewöhnlich langen Wechsel in die Laufschuhe kam er dann aus dem Zelt und hatte erstmal nur ein Ziel: Die Familie, der er nun nach dem Ende seiner Laufbahn mehr Zeit schenken will. «Das ist Jan. Das zeichnet ihn aus», sagte seine Mutter bei sportschau.de, nachdem der berühmte Sohn vor seinem letzten Marathon als Triathlon-Profi erstmal zu seinen Liebsten gegangen war. «Emotional ist es ein sehr schwerer Tag», sagte der Vater.

Und Kumpel sowie Ex-Rivale Sebastian Kienle stockte als TV-Experte die Stimme: «Mir kommen da echt die Tränen.» Frodeno bleibe für ihn trotzdem «der Größte, der den Sport jemals gemacht hat». Hawaii-Legende Mark Allen (sechs Siege) kommentierte via Instagram: «Raus aus der Jagd, aber ein Athlet und ein Champion höchster Güte.»

Es sollte sein Tag werden, der krönende Abschluss einer großen Karriere mit dem Olympiasieg in Peking vor 15 Jahren und den Hawaii-Triumphen 2015, 2016 und 2019. Es wurde aber der große Tag von Sam Laidlow. Der französische Hawaii-Zweite von 2022 gewann in beeindruckender Manier.

Beste Bedingungen in Nizza

Für Frodeno ging es mit goldener Kappe in seinen letzten Arbeitstag als Triathlon-Profi, als um 06.50 Uhr der Startschuss fiel. 25 Grad warmes Wasser, praktisch keine Wellen, einen Sonnenaufgang an der Côte d’Azur wie aus dem Postkarten-Laden.

Nur wurde es nicht zum Bilderbuch-Rennen für Frodeno. Beim Schwimmen lief noch alles nach Plan, er kam als Dritter aus dem Mittelmeer. Lange hatte über eine Minute Rückstand, war 13. nach den ersten knapp vier Kilometern. Um den engen Aero-Anzug über die nasse Haut zu bekommen, hatte Frodeno eigens zwei kleine Plastiktüten eingesteckt, dennoch büßte er ein bisschen Zeit beim Umziehen ein und riss sich sogar ein Loch in den Hightech-Stoff. Lange ging eine Minute nach seinem Landsmann auf den ausgesprochen schweren Radkurs. 

2400 Höhenmeter, lange Anstiege, rasante und gefährliche Abfahrten – für die wunderschönen Aussichten im Tour-de-France-Stil blieb den Profis und auch über 2000 Altersklassenathleten keine Zeit. Massive Kritik hatte es nach der Entscheidung gegeben, den WM-Titel der Männer nicht in Hawaii, sondern in Nizza zu vergeben und damit erstmalig seit der Premiere 1978 die USA zu verlassen, während die Frauen am 14. Oktober in Kailua-Kona dran sind. Im kommenden Jahr wird getauscht.

Frodeno verliert auf dem Rad

Mit dem eigentlich geplanten Karriere-Finale in Hawaii im vergangenen Jahr war es für Frodeno nach einem Teilriss der Achillessehne zu Saisonbeginn, einer Blutvergiftung und schweren Hüftproblemen nichts geworden. Umso intensiver, umso größer, umso ersehnter war die erneute Kür zum Ironman-Champion in seinem letzten Profi-Rennen.

Ein Happy End wurde es nicht. An die Spitze setzte sich Laidlow recht schnell und drückte aufs Tempo. Der Hawaii-Zweite von 2022 zog allen davon und kam mit deutlichem Vorsprung auf seine Verfolger in die zweite Wechselzone. Da hatte Frodeno noch ein paar Kilometer auf seinem speziell lackierten Rad vor sich. Zunächst noch vorn dabei, fiel er stetig zurück. Bei Kilometer 53 auf dem Rad waren es 4:40 Minuten, bei Kilometer 94,5 knapp zehn Minuten.

Lange holt im Laufen auf

Lange hatte längst auch zum großen nationalen Konkurrenten aufgeschlossen und nutzte einen weiteren Anstieg, um Frodeno hinter sich zu lassen. «Es ist sicherlich nicht der Jan-Frodeno-Tag, wie wir ihn kennen. Das tut mir in der Seele weh», sagte sogar Langes Coach Björn Geesmann, der sich einen Showdown der beiden Deutschen auf dem letzten Laufkilometer gewünscht hatte.

Doch während Lange seine famosen Laufqualitäten ausspielen konnte, verabschiedete sich Frodeno zwar chancenlos, aber mit Würde. «Ich freue mich, mit ihm heute Abend ein Bier trinken zu können», sagte Lange. Da schleppte sich Frodeno noch immer über die Laufstrecke, aufgeben kam beim Karriere-Finale erst recht nicht infrage.

Jens Marx, dpa